EWIGE WIRKLICHKEIT
Verlagslogo
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL
UM DEN FORDERUNGEN DES URHEBERRECHTES
ZU ENTSPRECHEN, SEI HIER VERMERKT, DASS
ICH IM ZEITBEDINGTEN LEBEN DEN NAMEN
JOSEPH ANTON SCHNEIDERFRANKEN FÜHRE,
WIE ICH IN MEINEM EWIGEN GEISTIGEN SEIN
URBEDINGT BIN IN DEN DREI SILBEN:
BÔ YIN RÂ
BASLE 1934
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
INHALT Seite
Voraussetzung 5
Geheimnis der Erwählung 9
Weg und Ziel 13
Aus geistigem Sein 17
Selbstentsprechung 21
Wiedergefunden 27
Untrennbar 31
Ehrfurcht 35
Nötigung 39
Unterschiedenheit 43
Verpflichtung 47
Werk der „Gnade” 51
Göttliches Lachen 55
Selbstüberlegenheit 59
Erlösungsmöglichkeit 63
Um der Liebe willen 69
Bändigung des „Tieres” 73
Schuld und Sühne 77
Das Ewige 81
Erneuerung 85
Unsterblichkeit 89
Wissen 93
Nachher 97
Jedem anders eigen 101
Selbstvergottung 105
Wirklich werden 109
Gotteserfahrung 113
Originalscan1  Originalscan2
VORAUSSETZUNG
Die mich „verstehen” wollen,
Werden schwerlich jemals
Meine Worte fassen,
Denn was ich gebe,
Will Erlebnis werden, ‒
Nicht verlierbares Verstandesgut!
Worte, die in dem, der sie empfängt,
Nicht in die Tiefe sinken
Und im Allertiefsten
Seine Seele wandeln können,
Mögen dienstbar sein
Dem irdisch hirnbedingten Denken,
Auch wenn sie dem, der sie empfängt,
Kein geistiges Erleben schenken.
Meine Worte aber werden dem, der sie
Empfängt, erst dann verstandeseigen,
Wenn sie Wandlung wirkten
In der Seele allertiefsten Tiefen:
Dort, wo geistlebendige Gebete
Nach Erlösung aus den Fesseln
Hirnbedingten Denkens riefen.
*
7 Ewige Wirklichkeit
GEHEIMNIS DER ERWÄHLUNG
Offen liegt vor aller Augen,
Was ich gab und gebe:
Sichtbar, bin ich selber Weg
Zu Dem, in dem ich geistgeboren lebe.
Unsichtbare aber
Spielen manchem in die Hände:
Was ich niederschrieb
Auf daß es Finder fände.
Gewahren des Erprüften Sinne
Solche Zeichen,
So wird er wachend auch dereinst
Den Weg erreichen.
Doch, bleibt er störrisch
Von sich selbst benommen,
So war, was zu ihm kam:
Zu früh gekommen!
*
11 Ewige Wirklichkeit
WEG UND ZIEL
Den Weg erreichen, den ich zeige,
Heißt das Ziel erkennen,
Das alle Erdenziele hochhin überragt,
Die wunschbeschwerte Träume
Schon „erhaben” nennen.
Hat einer erst den Weg gefunden,
Findet er auch dieses Weges hohes Ziel.
Schon nach den ersten Schritten auf dem
.Wege
Fühlt er sich gesunden,
Und nicht mehr eingezwungen hörig
Wesenlosem Spiel.
Doch: nicht im Wettlauf wird der Weg
.durchmessen,
Und keiner kann hier Mitbewerber über‐
.rennen!
Hier muß der Wanderer
Erst allen Geltungsdrang vergessen,
Nicht eher hört er sich im Ziel bei Namen
.nennen.
*
15 Ewige Wirklichkeit
AUS GEISTIGEM SEIN
Ich kann nur geben,
Was der Vater gibt.
Ich kann nur lieben,
Was der Vater liebt.
Ich kann nur künden,
Was der Vater kündet,
Dem ich, in allen Sünden,
Sohn bin: ‒ Eingebündet
Seinem ewig einen Leben,
Das er aus Ewigem
Auch Irdischem gegeben:
Um hier Versunkenes
Zu finden
Und erneut emporzuheben.
Ich bin nicht selbstgezeugt
Im Geiste,
Aus dem „Urwort”,
Wie der Vater,
Der als seine Selbstgestaltung
Stets im Geist verbleibt.
Ich bin, ‒
19 Ewige Wirklichkeit
Ein Wort der Ewigkeit, ‒
Im „Wort” gezeugt,
Urewig.
Und zu urbestimmter Zeit
Ward, zeitbedingt,
Dem Erdenmenschen
Ich ‒ der Urgezeugte ‒
Einverleibt.
*
20 Ewige Wirklichkeit
SELBSTENTSPRECHUNG
Mein ganzes Erdenleben war
Von früher Kindheit an ein stetes Geben.
Wie die Nager auf den Feldern
Immerfort in ihre Löcher bergen,
Was die Gier erreicht,
Wie die Emsen, gribbelnd,
Alles, was sie schleppen können
In die Nester tragen,
Wie die Bienen triebhaft
Honig sammeln,
Füllend ihre Waben,
So war ich, seit ich weiß um erstes
.Denken
Und aus Irdischem Erinnerung verwahre,
Aus innerlichem Drängen immerfort ge‐
.trieben:
Das, was mein Eigen hieß,
Erst als Geschenk für Andere zu lieben.
Noch niemals habe ich Besitz besessen,
Den ich nicht, leichten Herzens, gern ver‐
.gessen,
23 Ewige Wirklichkeit

Wenn ich, voll Selbstbeglückung, ihn ver‐
.schenken konnte,
Wo es Pflicht mir nicht verbot.
Doch nicht nur
Was man mit Händen greift,
Bot solcher Gebedrang
Allezeit Anderen dar.
Auch was mir geistig zugehört
Und zugehörte, lang vor meinen Erdenjahren,
Ist mir im Irdischen zum ersten darum wert,
Weil es sich weiterschenken läßt,
An Alle, die es nicht durch eigenes Erfahren,
Im geistgezeugten Licht
Als Eigentum gewahren.
Höchsten Wertes
Ward ich solcherart
Mir selbst im Unsichtbaren,
Wie ich im ewiglichen Geiste
Mir geboren bin,
Weil hier ich selber
24 Ewige Wirklichkeit
Mich verschenken kann
An Tausende und immer wieder Tausende,
Ohne doch jemals mich zu verlieren,
Ohne doch jemals mir zu mangeln,
Wenn ich immer wieder Anderen
Mich selber schenken will.
*
25 Ewige Wirklichkeit
WIEDERGEFUNDEN
Was ich im Ewigen
Jemals erfahren,
War mir vertraut schon
In kindlichen Jahren.
Und schien ich mir später
Im Trüben verloren,
So ward ich doch immer
Mir neu geboren.
Was mir im Äußeren
Mochte begegnen,
Konnte ich stets
Aus dem Innersten segnen.
Doch sah ich auch frühe schon
Mein Erfahren
Nur in der Stille
Bewahrt vor Gefahren.
So blieb ich in Gott...
Und in Gott verloren,
Fand ich mich selber
In Gott geboren.
*
29 Ewige Wirklichkeit
UNTRENNBAR
Im Geiste
Geistig aus dem Geist gezeugt,
Im Irdischen
Allerdenhafter Last gebeugt
Und dennoch erdenhafter Freude
Dankbar zugeneigt, ‒
Ist mir mein Zeitliches
Kein „Hier”,
Mein Ewiges
Kein „Dort”:
Wo immer ich mich finde,
Bin ich in mir selbst,
Und selbst an gleichem Ort.
Ich könnte niemals trennen,
Was in mir Vereinung fand:
Den Menschen dieser Erde
Von dem Geistgezeugten,
Dem der reine Wille
Des nun irdisch Einverleibten
Sich vor aller Erdenzeit
Im Geist verband.
*
33 Ewige Wirklichkeit
EHRFURCHT
Die mir als Irdische im Geiste Brüder sind,
Verehren aller Kulte heilighohe Götter,
Und keinem frommen Glauben nahen sie als
.Spötter!
Sie wissen, daß sich Gott
Nur in Verhüllung zeigt
Und denen, die ihn hüllenlos
Erkennen wollen, ewig schweigt.
So sehen sie in Brahma, Vischnu, Schiva,
Und dem Gott vom Sinai, ‒
Mag er den einen: Jahwe, anderen: Allah
.heißen, ‒
In Samtscheh Mitschebat:
Dem „Ewigen Allmächtigen” der Stämme
.Tibets,
Und Bô-Chan, oder Fô:
Dem Himmelsbuddha
Der Mongolen und Chinesen,
Nur den gleichen, ewig einen Gott,
Der aller Götter Gottheit ist
In mannigfaltiger Gestaltungsweise.
37 Ewige Wirklichkeit
Nur dem wird er in jeder Hülle sichtbar,
Den er selbst sich sehen lehrte,
Nur dem erkennbar, der es nicht begehrte,
Ihn anders, als in jener Hülle zu erkennen,
In deren Namen er einst Mutterwort
Ihn hörte nennen.
Wer reinen Herzens in sich selbst
Den Gott der Kindheit ehrt, ‒
Dem Gott sich weihend in sich selbst, ‒
Und allen trennenden Gedanken wehrt,
Den lehrt sein Gott zuletzt sich selbst er‐
.kennen,
Und ihn im ewig einen Gottes-Namen
.nennen!
Doch, der nur wird das lichte Offenbaren
Des Einen, Ewigen in sich erfahren,
Der sich in Ehrfurcht allen Göttern beugt,
In denen sich der Eine, Ewige bezeugt.
*
38 Ewige Wirklichkeit
NÖTIGUNG
Wenn ich von Dingen
Die ich denen zu bekennen schuldig bin,
Die ich belehre,
Zuweilen auch in altbekannten Worten
.spreche
Die ich hoch verehre:
In Worten, die bei vielen Gläubigen
In alter Geltung stehen,
Und die in fester Prägung
Durch die Christenlande gehen,
So ist mir solcher Wortgebrauch geboten,
Durch ihn die Wahrheitstiefe altgeglaubter
Glaubenswerter Lehren auszuloten,
Die seichter Schätzung flach versandet
.scheinen,
Obwohl sie urtief gründen
In dem ewig Einen,
In dem ich selber gründe
Und aus dem ich lebe,
Wie ich aus ihm allein nur
Lichtgezeugte Lehre gebe.
41 Ewige Wirklichkeit
Wie diese Lehre aber
Jeden religiösen Glauben
In sich selber duldet,
Weil sie ihr eigenhaftes Lehrgut
Keiner denkbedingten Meinung schuldet,
So ließe das, was sagbar werden kann,
Sich wahrlich auch in Worten sagen,
Die nie noch einer Glaubenslehre
Starre Last getragen.
Doch würde das gewiß nicht
Neuem Irrtum wehren
Und müßte nur die endliche Erlangung
Des Erlangbaren erschweren.
Denn: was ich zu erlangen lehre,
Alle, die im Innersten
Schon danach streben,
Ist weder Glaube, noch Verstandesmeinung,
Sondern urgezeugtes Licht
Und aller Todgefahr entrücktes,
Freudeklares ‒ Leben!
*
42 Ewige Wirklichkeit
UNTERSCHIEDENHEIT
Der Vater liebt mich,
Wie ich selber mich
Im Vater liebe.
Hier liebt sich Liebe
In sich selber,
Unvergleichbar
Körperhaftem Triebe,
Sind auch urverbunden
Trieb und Liebe.
So liebe ich den Vater,
Wie er selbst
In mir sich liebt,
Dem er seit Ewigkeiten
Leben aus sich selber gibt.
Doch meine Liebe
Lebt nur durch das Leben,
Aus dem der Vater
Sich den Sohn gegeben.
*
45 Ewige Wirklichkeit
VERPFLICHTUNG
Manches Wort muß ich euch sagen,
Mag es euch auch schwer erfaßbar sein,
Denn in diesen meinen Erdentagen
Ward nur mir in dieser Welt allein
Solcher Kunde Kündung aufgetragen,
Und ich würde nicht ihr Künder sein,
Wollte ich erst Erdenhörige befragen,
Was ihr Wähnen willens ist, zu tragen.
Will ich auf Erden meine Pflicht erfüllen,
Dann darf ich erdbedingtes Werden
Nicht vor euch verhüllen.
Nur wenn ich zu mir selbst
Und meiner Art im Geiste
Euch in mir erhebe,
Kann ich der Weg euch sein
Zu jenem Leben,
Das uns Irdischen nur Er verwahrt,
Dem ich auf dieser Erde
Geistverschmolzen lebe.
*
49 Ewige Wirklichkeit
WERK DER „GNADE”
Alles „Leben” lebt nur aus der Gnade,
Und nur die Gnade
Führt aus Erdentierheits-Nacht
Zu jenem einen engen, steilen Pfade
Auf dem sie alle
In das Licht geleitet,
Die sie ‒ es in sich zu ertragen ‒
Geistig vorbereitet.
Gnade ist keine Willkürspende,
Wie enger, allzuerdendumpfer Glaube
Hier zu deuten sich vermißt!
Gnade ist: ‒ Gott, ‒
Und Gott ist selbst: „die Gnade”,
So, wie Gott selbst: „die Liebe” ist.
Nicht etwa nur als irdische Vergleiche
Wollen solche Worte
Hier verstanden sein,
Denn keine Seele dieser Sinnenreiche
Geht ohne Gott: ‒ „Die Gnade” ‒
Hier in Gott: ‒ „Die Liebe” ‒ ein!
*
53 Ewige Wirklichkeit
GÖTTLICHES
LACHEN
Ich finde in mir vielerlei Gestaltung,
Jedoch in jeder bleibe jederzeit ich Dem
.geeint,
Den man allein in würdestrenger Waltung
Und in unnahbar großer Herrschergeste
Zu erkennen meint.
Mir ist die fromme Inbrunst eingeboren,
Wie der lose, heiterfrohe Spott:
Ich liebte jederzeit
Auch noch in seinem Teufel Gott,
War ich auch wahrlich
Niemals Teuflischem verschworen.
Ich wäre nicht, der ich seit Ewigkeiten bin,
Könnte verengen ich mir Blick und Sinn,
Für das, was Gott dem Erdenmenschen zu‐
.gedacht,
Damit er irdisch lachen lerne,
Wie sein Schöpfer, schöpferisch erschüttert,
Noch im tiefsten Ernst der Ewigkeiten,
Über alles ewig Lächerliche
Aus urgründig tiefer Weisheit ‒ lacht!
*
57 Ewige Wirklichkeit
SELBSTÜBERLEGENHEIT
Die armen bang Betörten, die sich „ihren” Gott
Nur als den ewig ernsten Rächer ihrer Sünden
Und den behaglichen Bestrafer ihrer Misse‐
.taten
Vorzustellen pflegen,
Werden sicherlich, ‒ ich rede ohne Spott, ‒
So manche wohlbegründete Bedenken hegen,
Hören sie von einem Gott, der lachen kann: ‒
Der selber sich das Lachen lehrte,
Und seit Ewigkeiten durch sein Lachen
Allem ewig Lächerlichen wehrte,
Das jederzeit der Menschen Götter zu ertöten
.pflegt,
Weil allzuwürdereicher Hag
Die erdgeschaffenen umhegt.
Ich kann den unwirsch aufgeregten Dienern
Eines ihnen gleichen Gottes nur verkünden:
Daß der Urewige ‒ weiß Gott! ‒
Zu lachen weiß,
Doch wahrlich nicht vermag,
Zum „Zorn” sich zu entzünden,
61 Ewige Wirklichkeit
An seiner armen Erdenmenschen
Armen Alltags-Sünden!
*
62 Ewige Wirklichkeit
ERLÖSUNGMÖGLICHKEIT
Es sprach einst einer, den die Welt
Der Gläubigen, die seinen Namen ehren,
Gut zu kennen glaubt,
Daß er gewiß nicht
In die Erdennacht gekommen sei,
Die Selbstgerechten von sich selber zu er‐
.lösen,
Sondern Befreiung bringen wolle
Für die „Sünder”.
Sein Wort hat heute lang schon
Alle Welt vernommen,
Doch alle Welt blieb fern dem,
Was der mir vereinte Künder
Durch seine Kündung alle fassen lehren
.wollte,
Damit es allen bangen Sündenängsten
In den Seelen wirksam wehren sollte.
Sünde sah er dort bereits geschehen,
Wo er die Abkehr sah
Von ewig geistbeschwingtem Leben,
65 Ewige Wirklichkeit
Verkehrung geistgezeugten Willens
In den tierbedingten Willen:
Den Willen zeitgesetzter
Unabwendbarer Vergänglichkeit.
Was er die Gläubigen und ihre Priester
„Sünde” nennen hörte,
Sah er in alldurchdringend klarem Lichte
Als das erdgewirkte Werk der Sünde:
Als erstes Glied der argen Kette
Sündbedingter Folgen,
Das die Torheit Sündiger
Auf Erden „Sünde” nennt,
Weil sie es nicht
Als ungewollte Wirkung
Selbstgesetzter Ursache
Im Geistigen erkennt.
Jedem, den in solche Kette
Er geschmiedet fand,
Verkündete er die Erlösung,
Die durch Wiederumkehr
66 Ewige Wirklichkeit
Erdverkehrter Willensrichtung
Irrig Wollenden erlangbar ist.
Die vor sich selber Heiligen
Und eitelkeitsbetörter Meinung nach:
„Gerechten”
Fand er freilich
Solchem Umkehrwillen fern.
So kam es, daß er nur dem Sündbeladenen
Jeweils verkünden konnte,
Daß durch erfolgte Umkehr
Seine Sünden ihm vergeben seien,
Und daß nur Sünder,
Die zur Umkehr willig waren,
Durch der Sünder „Heiland”
Die Erlösung fanden.
*
67 Ewige Wirklichkeit
UM
DER LIEBE
WILLEN
Keinem wird so viel vergeben,
Als dem, der um der Liebe willen
In die Sünde kam, ‒
Als dem, der um der Liebe willen
Litt, und leidend an der Liebe,
Schuld der Sünde auf sich nahm.
Und selbst der Liebe leibliches
Erleben zählt hier geistig mit! ‒
Noch jedem wurde in der Ewigkeit
Vergeben, der hier im Erdenleben
Schuld auf seine Seele lud,
Weil er an seiner körperhaft
Bedingten Liebe litt.
Nur die aus seelischer Verhärtung
Und im Haß gesetzte Sünde
Läßt sich aus der Liebe nicht vergeben.
Hier führt nur Ausgleich
Durch die härteste Gerechtigkeit
Den Sündbeladenen in Qual und Ringen
Durch Aeonen ‒ wenn es sein kann ‒
Noch in lichtes Leben.
*
71 Ewige Wirklichkeit
BÄNDIGUNG
DES TIERES
So, wie ein Unerschrockener,
Der seines Lebens Unterhalt
Sich dadurch zu erwerben weiß,
Daß er die wildesten der wilden Tiere
Unter seinen Willen zwingt,
So muß sich jeder Mensch der Erde
Mühen ohne Ungeduld,
Das „Tier” in sich zu bändigen,
Zu zähmen und zu lehren,
Soll es nicht seine wilden Kräfte
Gegen seinen Eigner kehren.
Und so, wie keiner, der ein wildes Tier
Sich willenshörig machen will,
Des Tieres Willen besser, als durch Güte
.zwingt,
So ist auch keinem noch auf Erden
Bändigung der eigenen Tiernatur gelungen,
War er nicht zur Erkenntnis durchgedrungen,
Daß aller Zwang sein Tierhaftes nicht zwingt,
Wenn nicht der Liebe zu der eigenen Tiernatur
Des Tieres Bändigung gelingt.
*
75 Ewige Wirklichkeit
SCHULD
UND
SÜHNE
Der, dem durch Willensumkehr
Ehedem bewirkte „Sünde”
Fernerhin vergeben wird,
Ist damit aller Schuld
Die seine „Sünde” auf ihn lud
Für alle Ewigkeit enthoben,
Er bleibt erlöst
Aus aller Schuldverstrickung,
Die den Unerlösten
Zeitlich und im Ewigen
An seiner Selbstvollendung hindert.
Doch solche zeitliche
Und ewige Erlösung
Ist gebunden an die Sühne,
Die sich der Erlöste
Selbst aus freien Stücken auferlegt.
Dem Unerlösten
Bleibt sie Qual und Zwang. ‒
Befreiung schafft die Sühne dem,
Dem wahre Willens-Umkehr
Hier im Erdendasein
In sich selbst gelang.
*
79 Ewige Wirklichkeit
DAS EWIGE
Willst du im zeitbedingten Leben
Dich gestalten und erhalten,
So wirst du wachsam ringen müssen
Mit vergänglichen Gewalten.
Das Ewige jedoch
Wird dir gegeben,
Weißt du dich nur
In dir noch zu erheben,
Um das, was man dir gibt
Auch zu empfangen. ‒
Nicht anders wirst du je
Zu Ewigem gelangen!
Nur, was als „Gabe”
Dich erreicht,
Wird dir im Ewigen
Zu eigen, ‒
Was aber Ungeduld
Ertrotzen möchte,
Wird sich niemals zeigen!
*
83 Ewige Wirklichkeit
ERNEUERUNG
Alles Göttliche ist kinderfaßlich einfach,
Obwohl es in sich selbst unendlichfältig,
Und klarer Form entwöhnten Augen
Kaum in seiner Einfachheit erkennbar ist.
Je weiter fort von Göttlichem
Die Denker samt den Dichtern sich begeben,
Desto verzwickter und verkröpfungsreicher
Deuten sie das Leben.
Solange wir nicht, wie die Kinder,
Auch die komplizierten Dinge
In uns selber wieder einfach sehen,
Wird alles Denken,
Alles Deuten,
Falsche Wege gehen!
*
87 Ewige Wirklichkeit
UNSTERBLICHKEIT
Es brauchte bei den Alten
Nicht erst geistige Belehrung
Um zur Erkenntnis hinzuführen,
Daß nicht äußere Bekehrung,
Und weniger noch: Glauben oder Meinen,
Vermöchte, Irdisches dem Ewigen zu einen.
Noch wußte man,
Daß nur das geistbestimmte Handeln
Die Kraft erzeugen kann,
Das Irdische zu wandeln.
Die Alten strebten nicht danach,
Zu suchen, was kein Suchen je gewahrt,
Wenn es nicht geistgerechtes Leben
Ohne alles Suchen offenbart.
Sie wußten, daß ein Irdischer
Nur dann Unsterblichkeit erlangt,
Wenn er nicht mehr genießendes „Erkennen”,
Sondern sein urgegeben ewigliches Sein
Im göttlich Ewigen für sich verlangt.
*
91 Ewige Wirklichkeit
WISSEN
Wissen” hieß den Weisen alter Völker
Die im Geiste waren,
Wahrhaftig nicht nur:
Hirngedankliches Verwahren
Von Worten, die sich irdisches Erkennen
.schuf.
Das Wissen in der Weise ihrer „Wissenden”
Galt allen Kundigen und Sehern
Als die höchste Göttergabe,
Und bestimmt durch ewigen Beruf
So daß es nie in eines jeglichen Belieben stand,
Etwa: ein Wissender zu „werden”,
Weil nur der als so Gemeinter galt,
Den ein im ewiglichen Geiste Wissender
In urgegeben geistiger Gestalt
Bereitet, und vorherbestimmt geboren fand.
Wissen” war jenen zeitlich fernen Alten:
Höchstes irdisch-geistbedingtes Seins
.gestalten, ‒
Nicht die Gedächtnisakrobatik,
95 Ewige Wirklichkeit
Die man heute Wissen nennt,
Weil keiner derer, die sich heute wissend
.wähnen,
Aus eigener Erfahrung die urgeistigen
.Domänen
Des nur im Sein gewissen Wissens
Alter Zeiten kennt.
Nur dort, wo Wissen kein Beherrschen
Hirnbedingter Worte und Begriffe meint,
Ist Wissen ewig ewiger Erkenntnis
Eingefügt und zugeeint!
*
96 Ewige Wirklichkeit
NACHHER
Von allen sichtbarlich gewirkten Werken
Die euch schöpferisch allhier gelungen,
Von allem, was ihr, es erkämpfend, euch er‐
.rungen
Bleibt euch nichts anderes im Ewigen er‐
.halten,
Als was, in solchem Tun zugleich bezwungen,
Der Seele diente, sich im Geiste zu gestalten.
Die Male, die der Nachruhm euch errichtet,
Bleiben im Land der Seele ungesichtet,
Und wertlos wird, was man euch zugedichtet.
Nur eurer Taten allerfernste Erdenfolgen
Folgen euch nach noch aus dem Erdentag
Und müssen euch durch Ewigkeiten folgen,
Bis der voreinst von euch geschaffene Impuls
.vermag,
Sich selbst in letzter Folge aufzulösen: ‒
Im ewig Guten, wie im zeitlich Bösen.
*
99 Ewige Wirklichkeit
JEDEM
ANDERS
EIGEN
Das hohe Ziel
Das jeder Irdische dereinst in sich erreichen
.muß,
Will er bewußt im Ewigen sich wiederfinden,
Ist allen Erdverkörperten gemeinsam.
Doch, dieses übererdenhafte Ziel
Ist in sich selbst unendlichfältig
Und wird von jedem, der ihm zustrebt,
Dort allein erreicht,
Wo der den Weg Erwandernde
Es in sich selbst gewahr zu werden weiß.
Von keinem, derer,
Die das Ziel erreichten,
Kam jemals Bericht
Daß er es an der gleichen Stätte
Wie ein anderer gewahr geworden wäre.
Es ist für keinen Menschen anders zu erlangen,
Als in der Fassungsform, die es in ihm emp‐
.fangen
Und die allein nur
Dem Erlangenden entspricht.
103 Ewige Wirklichkeit
Wenn ich als einer aus den Wenigen,
Die sich vor Ewigkeiten schon
Im Ziel, von dem sie ausgegangen, wieder‐
.fanden
Und sich im Geist an heiliges Gelöbnis banden:
Dereinst in urgesetzten Tagen hier auf Erden
In einem Erdgebundenen zum „Weg” zu
.werden,
Mich mühe um in lichter Klarheit
Das Ziel, das Leben ist aus Wahrheit
In Menschenworten allen zu entdecken,
So darf der Suchende sich nicht erschrecken,
Sieht er in immer wieder anderen Bildern
Mich selbst als Weg mich zeigen
Und das Ziel ihm schildern.
Nur eines dieser Bilder kann ihm gelten, ‒
Die anderen sind anderen Seelen zugedacht.
In ihm nicht zubestimmten Seelenwelten
Ist noch kein Irdischer der Ewigkeit erwacht!
*
104 Ewige Wirklichkeit
SELBSTVERGOTTUNG
Es ist nicht so, wie allzugierige
Nach Gott Begehrende in sich vermeinen,
Wenn sie sich selbst „vergottet” wähnen,
Weil sie sich „verneinen”,
Und dann in scheinbar aufgelöstem Ich
Sich selbst vereinigt glauben dem Urewig‐
.Einen!
Es mag den Hochbewunderten in solchem
.Irren
Viel Ehrfurcht um des Menschen willen noch
.gebühren: ‒
Läßt sich der Suchende jedoch dadurch ver‐
.führen,
So wird gar leicht ihn selbsterzeugter Traum
.verwirren.
Erliegt er aber einmal der Betörung,
Dann treibt er fortan trughafte Beschwörung
Und taumelt immer tiefer in sein Dunkel,
Verführt durch seiner Träume
Irrlichtschein-Gefunkel.
*
107 Ewige Wirklichkeit
WIRKLICH
WERDEN
Nicht dadurch daß man denkt
Man wäre Gott schon nahe ‒
Oder gar vereint ‒
Kommt man dem Ewig-Einen nah.
Er bleibt dem glühendsten Gedanken
Ewig unerreichbar,
Faßt nicht des Gedankens Inhalt
Ein Geschehen, das schon vor dem Denken,
Wirklichkeit geworden war.
Wer jemals Gott in sich erleben will,
Muß erst zu werden trachten,
Was alle ehedem geworden waren,
Die zu ihrer Zeit in Gott erwachten.
Doch solches Werden wird nur durch die Tat,
Und kann erst dann dereinst daneben
Dem Denken sich zu denkgemäßer Fassung
.übergeben,
Wenn ihm die Folge der Gewährung wurde,
Die sich nirgends anders kann begeben,
Als nur in Gottes Wirklichkeit:
In Seinem allumfassend-einen Leben.
*
111 Ewige Wirklichkeit
GOTTESERFAHRUNG
Alle lichtbereiten Menschen
Können Gottes Gegenwart
In sich erfahren,
Wollen sie wahrhaft Gott: ‒
Den Ewigen, Lebendigen,
Der selbst die Liebe ist ‒
In Seiner gütereichen
Ewiglichen
Menschlichkeit
In sich gewahren.
Die allermeisten aber
Die Gehirn und Herz
Nach Gottes Spur durchwühlen,
Wollen in Wahrheit nur
Verborgen Irdisches
Erschauernd und erschüttert
Als beglückenden Genuß erfühlen.
Und andere,
Die in Verzweiflung
Nach dem Gotte suchen,
115 Ewige Wirklichkeit
Den sie selbst sich schufen,
Müssen erfahren lernen,
Daß sie nur sich selber rufen,
Mögen sie beten und verehren,
Oder ihrem einst geglaubten Gotte
„Gottlos” in sich selber fluchen.
Nur der wird Gottes inne,
Selbstgewiß, wie seines Daseins
Hier auf Erden,
Der in sich selbst
Die Liebe lieben lernt,
Und um der Liebe willen
Sich von jedem haß- und neiderfüllten
Weidepferch begierdedumpfer Herden
Seelisch firnehoch entfernt.
*
116 Ewige Wirklichkeit
ENDE