DAS BUCH
DER
LIEBE
Verlagslogo
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
BASEL-LEIPZIG 1931
COPYRIGHT BY
KOBER'SCHE VERLAGSBUCHANDLUNG
BASLE 1931
BUCHDRUCKEREI WERNER-RIEHM IN BASEL
Dieses Buch erschien in seiner ersten Ausgabe
bereits im Jahre 1922.
INHALT Seite
Einführungsworte 5
Der größte Liebende 17
Vom Urfeuer der Liebe 61
Erlösungslicht 91
Die Schöpferkraft der Liebe 109
Originalscan
EINFÜHRUNGSWORTE
.In einer Zeit, in der des Hasses schlamm‐
durchwühlende Wellen aller Menschheit Flu‐
ren schänden, soll dieses Buch dir von der
Liebe reden!
.Du, der sich selbst erleben will, sollst
hier die höchste Freiheit finden!
.Die Freiheit, die deine Seele braucht,
wie deine Lungen Luft zum Atmen brau‐
chen, kann dir nur die Liebe geben, und
ohne Liebe stirbt in dir der Lebenskeim,
aus dem du dir erstehen sollst zu einem
Wachstum, das in sich kein Ende kennt. ‒
.Hier wird die Rede sein von einer
Kraft, die geistig alle Kräfte dieser Erde
meistert, ‒ von einer Kraft, die nur die
wenigsten in sich erleben, da sie zwar vieles
7 Das Buch der Liebe
kennen, was sie „Liebe” nennen, jedoch,
zu leicht befriedigt, sich damit begnügen,
ohne ihre eigene tiefste Tiefe zu ergründen,
in der sich erst die Kraft der Liebe ihnen
offenbaren könnte.
.Nur der aber, der in sich selbst seine
tiefste Tiefe ergründet, wird dort auch die
Be-gründung jener weisen Liebeslehren
finden, die ihm der heiligen Bücher alte
Texte aufbewahren, ‒ wie sie wohl jeder
„kennt”, soweit die Worte dieser Bücher
ihn erreichten, doch die nur selten einer
im Geiste erfaßt, da keiner ahnt, daß ein
Gesetz in diesen Lehren Offenbarung wird,
dem auch der Mächtigste sich beugen muß,
will er trotz aller Macht, nicht früher oder
später ‒ an sich selbst ‒ zerschellen. ‒
.Wüßte man, was die Liebe in Wahrheit
ist, dann hätte längst das Antlitz dieser
Erde sich gewandelt, und alles Leben
hätte längst sich stets erneuter Qual ent‐
wunden. ‒ ‒ ‒
8 Das Buch der Liebe
.Die Worte göttlicher Weisheit, die
von dieser Liebe handeln, sind heute noch,
wie ehedem, verhüllt in dichte Schleier,
und selten nur gelang es einem Seltenen,
für sein Erkennen diese Hüllen aufzuheben.
.Was er erkannte, war dann nicht mehr
jene „Liebe”, die er vordem zu erkennen
glaubte, denn er gewahrte eine Urgewalt,
die ihre Schauer ihm durch Mark und Kno‐
chen sandte, ‒ die ihn erbeben ließ in
innerstem Erleben und ihn zum Herrscher
machte, wo er vordem Sklave war! ‒
.Von solcher Liebe soll dieses Buch dir
Kunde bringen!
.Zu dieser Liebe soll es deine Seele
leiten!
.Aus dieser Liebe lebt, der hier zu dir
von dieser Liebe spricht!
9 Das Buch der Liebe
.Nur wer aus dieser Liebe lebt, der
Liebe kundig aus Erleben und Erfah
rung, sollte von der Liebe Zeugnis geben
dürfen...
.Nur er kann wirklich von der unerfaß‐
lich hohen Kraft, um die es sich hier han‐
delt, reden.
.Es gab so manchen, der sich in der
Liebe glaubte, weil er nicht hassen konnte.
.Doch dieses Unvermögen ist noch lange
nicht Gewähr dafür, daß man die Liebe
kennt!
.Haß ist der Gegenpol der Liebe, ist
die gleiche Kraft in ihrer Umkehr, ‒
und wer nicht fähig ist, zu hassen, obwohl
er längst erkannte, daß nur Torheit sich
dem Haß ergibt, der wird auch niemals
diese Liebe in sich finden, von der Paulus,
wahrhaftig ein Liebender, zu sagen wußte:
.Wenn ich mit Menschen- und
Engelszungen redete, und hätte die
10 Das Buch der Liebe
Liebe nicht, so wäre ich gleich einem
tönenden Erz oder einer klingenden
Schelle.” ‒ ‒ ‒
.Er wird auch gewiß den Sinn jener Sage
nicht begreifen, die von dem Shakya
Muni, dem indischen Buddha, zu erzählen
weiß, daß einst ein Feind des Weisen einen
wutentbrannten Elefanten seinem Weg ent‐
gegenjagte, worauf der Erleuchtete, zu aller
Staunen, jenes Tier bezwang, so daß es zit‐
ternd vor ihm niederkniete, da er der Liebe
Kräfte ihm entgegensandte, die er in sich
trug...
.Sowohl die indische Sage, wie das Wort
des den Christus Jesus predigenden „Völker‐
lehrers” Paulus läßt den Tieferschürfenden
erahnen, daß wahrlich hier doch nicht nur
von Gefühlstrunkenheit die Kunde geht,
‒ daß hier vielmehr die hohe Kraft allein
verherrlicht werden soll, die, wie ich ein‐
gangs sagte: ‒ aller Erdenkräfte geistige
Herrin ist! ‒
11 Das Buch der Liebe
.Verschieden ist die Form der Offen‐
barung dieser Kraft im Erdenleben.
.Du findest sie in jeder Pflanze, jedem
Tier, und aller Gattungstrieb ist ihrer All‐
gewalt Bezeugung...
.Doch findest du sie so erst auf der tief
sten Stufe ihres Wirkens und du wirst
hier gewiß nicht auch zugleich ihre höchste
Wirkungsart erkennen, obwohl auch hier
schon weitaus mehr zutage tritt, als du bis‐
her vielleicht erspähen konntest. ‒ ‒ ‒
.ttest du jemals, obwohl es dir wahr‐
lich nahe liegen müßte, ‒ in dieser tief
sten Form der Liebe schon die Schöpfungs
schauer entflammter Gattungstriebe dir zum
Zeugnis dienen lassen, dann wärest du längst
schon zu der Erkenntnis gelangt, daß solche
Urgewalt gewiß auch mehr vermag, als
aus dem Irdischen das Irdische zu zeugen! ‒
.Du hättest längst zugleich erkannt, daß
diese Schöpfungsschauer auch der höch
12 Das Buch der Liebe
sten Form der Liebe eignen müssen, und
wärest wohl gewiß dem holden Irrtum nicht
erlegen, der da bewirkt, daß dir ein sänftig‐
lich Gefühl der Zuneigung und from
mer Weichheit schon zu genügen scheint,
um, nach dem Worte jenes Liebenden, keine
„klingende Schelle” und kein „tönendes
Erz” zu sein. ‒
.All das, was der hier bezeichnete wahre
Liebende noch weiter von der Liebe Be
kundungsweise sagt, sind nur die Zei
chen, die der Liebe folgen werden, dort,
wo sie in höchster Form sich offenbart. ‒
.Du aber hast diese Zeichen für die
Liebe selbst gehalten und mühst dich nun,
die Zeichen hervorzubringen, die dir von
selbst zu eigen werden würden, hättest du
die Liebe! ‒ ‒ ‒
.Ich werde dich von manchem Irrtum
heilen müssen, will ich dich der Liebe fähig
machen...
13 Das Buch der Liebe
.Noch bist du verstrickt, von früher Ju‐
gend an, in tausendjährigen Wahn!
.Die dich einst lehren sollten, hatten
selbst es nicht anders gehört als sie es dir
weitergaben.
.Es wäre arge Torheit, wolltest du ihnen
zürnen!
.Sie gaben dir, was man ihnen gegeben
hatte, so wie nun ich dir gebe, was man
mir einst gab, bevor ich selbst zu schöpfen
wußte mit mir zugehörigem Gefäß.
.Vielleicht wirst du erkennen, daß es aber
doch nicht gleichen Wertes ist, aus wel
chen Brunnen die Becher der Lehrenden
schöpfen! ‒
.Wenn du die Lehren, denen ich in mei‐
nen anderen Büchern Formung schaffen
durfte, bereits kennst, dann wirst du wis‐
sen, daß mir tiefste Felsenquellen
fließen, aus denen noch alle geistige Weis‐
14 Das Buch der Liebe
heit quoll, die jemals diese Erde befruchtet
hat.
.Wohl dir, wenn die „lebendigen
Wasser dieser Quellen dich erquicken
werden!
.Wohl dir, wenn du nicht „Ärgernis”
nimmst an meinen Worten, obwohl ich ge‐
zwungen sein werde, dir zu zeigen, daß
wahrhafte Geistes-Offenbarung ewig währt,
und sich zu jeder Zeit den Offenbarenden
zu schaffen weiß!
.Ich wäre gewiß nicht, der ich bin, wollte
ich zu entwerten suchen, was in den reli‐
giösen Lehren der Vorzeit von Meines‐
gleichen stammt.
.Und alles in allen diesen Lehren der
ferneren und näheren östlichen Welt, was
wirklich das Kennmal des Geistes der
Ewigkeit aufweist, ward voreinst gegeben
durch die Offenbarung Derer, von deren
Art ich bin.
15 Das Buch der Liebe
.Meine „Abstammungsreihe” reicht frei‐
lich beträchtlich weiter als die biologische
Ahnentafel des Erdenmenschen, der mir als
Instrument: ‒ als irdisch nötiges Vehikel
dient...
.Und ich rufe dich nur auf, hinfort zu
sondern, was Geistesgut ist, wie es die
Geistgeeinten, die nur zu seltenen Zeiten
dieser Welt sich offenbaren, allein zu geben
wissen, ‒ und was steriler, hirngeblähter
Menschenmeinung zugehört in jenen
alten Schriften alter Völker, deren Worte
dir in Bausch und Bogen als geheimnisvoll
verehrungswürdig gelten.
.Wie du die alten Worte unterscheiden
lernen kannst, sollst du durch mich erfahren!
.Ich lehre dich hier als der einzige aller
mir Gleichgearteten, der heute in der Öffent‐
lichkeit wirkt, ‒ und als der einzige Erden‐
mensch, der heute von sich sagen darf, daß
er nur ewigkeitsgezeugtem Geistesgut das
Behältnis des Wortes formt.
16 Das Buch der Liebe
DER GRÖSSTE LIEBENDE
.Wenn hier der Liebe Lichtkraft deinem
Schauen sich enthüllen soll, so ziemt es sich
mit Fug und Recht, daß wir zuerst des
größten Liebenden gedenken, unter allen,
die auf Erden jemals Menschenantlitz trugen.
.Du magst dich selber zu ihm bekennen,
oder jenen Glaubensformen fernestehen,
die auf seiner Lehre Grund im Laufe der
Jahrhunderte erwachsen sind und Spuren
seiner Lehre oft nur noch in widerspruchs
erfüllten Lehrgebilden aus den Trüm
mern alter Tempel bergen; ‒ doch wirst
du schwerlich teilnahmslos an ihm vorüber‐
gehen können, wo immer seines Lebens
Bild dir seine Lehre offenbaren mag.
.Gewiß, ‒ die Kunde seines Lebens ist
gar mannigfach verschüttet und du wirst
wenige Worte heute noch in ihrer Rein
19 Das Buch der Liebe
heit dort zu finden hoffen dürfen, so, wie
sie einst der hohe Meister zu den Seinen
sprach.
.Doch, selbst in der Verschüttung
leuchtet noch genug des Echten auf, und
wenn du innerlich dich selbst bereitet hast
zur Fähigkeit, das Echte auszusondern,
wird der Schutt der alten heidnischen
Kulte, wird das Meinungswerk der alten
Schreiber der Berichte, gewiß nicht mehr
das wahre Bild des Meisters dir verfälschen
können.
.Du mußt nur unbefangen prüfen lernen,
was man dir darzubieten pflegt als schein‐
bar „gleichzeitliche” Bezeugung eines Men‐
schenlebens, das seiner Mit- und Nach‐
menschheit ein Rätsel blieb bis auf den
heutigen Tag...
.Da man nicht wagte, die alte Kunde
anzutasten, in der die Lehre, die des Meisters
Mund einst gab, schon in den allerersten
20 Das Buch der Liebe
Zeiten fremde Formung fand, war allem
Glaubenswahn, der diese Lehre sich in sei
ner Weise deuten wollte, freie Bahn ge‐
geben, so daß es heute ein vergeblich Mühen
ist, die Glaubensmeinungen, die so ent‐
standen, um dieser Lehre letzte Wahrheit
zu befragen.
.Du wirst hier tiefer schürfen müssen,
wenn du finden willst, und wenn du dann
gefunden haben wirst, kannst du auch
wirklich der vertrauten Glaubensmeinung,
die von früher Jugend an dich führte,
erst jene Tiefe geben, die Be-gründung
bietet.
.Es sei mir ferne, dir zu raten, deinem
Glaubenskreise zu entfliehen, und irrig
würdest du die Lehre deuten, die ich künde,
wenn du etwa vermeinen solltest, daß ich
einen neuen Glaubenskreis zu stiften wil‐
lens sei!
.Es mangelt uns wahrlich nicht an guten
Glaubensformen, so sehr es auch an
21 Das Buch der Liebe
wahrhaft „Gläubigen der Tat” in den
heutigen Tagen mangeln mag!
.Nichts liegt mir ferner, als der töricht‐
eitle Wunsch, die alten Glaubensformen
nun um eine neue noch zu mehren!
.Ich will, und muß jedoch nach binden‐
der urgeistiger Verpflichtung, allem Glau‐
ben die Ver-tiefung bringen, deren er be‐
darf, mag er des eigenen Wertes noch so
sicher, sich auch den „einzig wahren
Glauben nennen...
.Was die durch mich geformte Lehre dir
zu geben hat, wirst du im Grunde aller
Religionen wiederfinden, wenn du einmal
es erkanntest, ‒ ‒ dort, wo deines
religiösen Glaubens Formen dir altver
traute Helfer sind!
.Uralte Weisheit gibt sich so dir kund,
und aller „Glaubensgründe” tiefster Ur
grund wird dir offenbar. ‒
22 Das Buch der Liebe
.In ihm ist jede Glaubensform verwur‐
zelt, aus welchem alten oder neueren Mythos
sie sich auch ihre Symbole formen mag!
.Sei nicht vorschnell zufrieden in einem
Urteil, das dir von anderen ein-gegeben
ward, so daß es dir nun als aus dir selbst
erstanden erscheint!
.Vertraue dir selbst, wenn du hier zur
Urteils-Fähigkeit erwachen willst! ‒
.Nicht was andere sagten, darf dich irren,
wenn du selbst der Wahrheit nahen
möchtest!
.Nur in deiner eigenen Wahrheit kannst
du das Licht der Wahrheit unterscheiden
von Truglicht und Täuschungswahn! ‒
.So laß uns denn nach dem Bilde des
Meisters suchen, soweit es jene Kunde noch
enthüllen kann, die, „menschlich-allzu‐
23 Das Buch der Liebe
menschlich”, Heiligstes mit eigener Meinung
mischte!
.Jehoschuah, der Meister von Nazareth,
will sich selbst hier durch mein Wort dir
offenbaren...
.Suche, unbeirrt durch Vorurteile oder
fremde Meinung, zu erfühlen, was ich dar‐
zustellen habe!
.Der weise Lehrer, der da sein Land
durchzieht, ist Jude und will zuerst nur
von Juden verstanden sein. An dieser Wahr‐
heit kann auch manisch-irrer Rassenhaß in
aller Ewigkeit nichts ändern, wie immer
man versuchen mag, den größten Sohn des
Judenvolkes seinem Stamme abzusprechen!
.Er muß, als Jude, aus dem Geistes‐
schatze seines Volkes schöpfen, soll das
Gut uralter Weisheit faßbar werden für
die Menschen, denen er zum Lehrer wer‐
den wollte. „Den Kindern Israels” fühlt er
24 Das Buch der Liebe
sich ursprünglich allein gesandt, und in den
Synagogen sucht er seiner Lehre Wahrheit
zu erweisen „durch die Schrift”: ‒ die alten
religiösen Bücher orthodoxen Judentums.
.So aber war schon, ‒ notgedrungen, ‒
eines ersten Irrtums Keim gelegt, indem
die Hörer ihn als Lehrer ihres Glaubens
zu verstehen suchten und jedes Wort, das
aufrecht und gerade sie erreichte, sich
nach den eigenen verschlungenen Auffassun‐
gen ihres Väterglaubens bogen.
.In stetem Mühen sucht er solchem Irr‐
tum zu begegnen, doch ist er selbst in
seinem geistigen Erleben viel zu fern
schon ihrer Enge, als daß er noch den Grad
der „Taubheit” seiner Hörer fassen könnte.
.Die Klage, daß dieses Volk ihn nicht zu
„hören” wisse, ist gar oft in seiner Rede.
.Er flucht dem Volke, das nur „Ohren
hat um nicht zu hören”, damit es selbst
in sein Verderben renne.
25 Das Buch der Liebe
.Und als das Ende seines Lebens, ‒ lang
schon vorgeahnt, ‒ ihm wirklich naht, bricht
all sein hoher Mut zusammen in bitterer
Klage, und er ‒ beweint Jerusalem, da es
in seinen Tagen nicht erkannte, was er
seinem Volke bringen wollte...
.Die Wenigen, die er sich dennoch aus‐
erlesen hat, müssen oftmals harte Worte
hören um ihrer Herzensenge willen, und
selten nur vertraut er ihrer Fassungskraft.
.Mitunter möchte er sich selbst bereden,
als ob die äußerlich so treu Ergebenen ihn
doch nun wahrlich recht verstanden haben
müßten, um dann, erfüllt von Schmerz und
Mitleid, wiederum zu sehen, wie weit
entfernt von seiner Lehre diese Herzen
waren. ‒
.So zieht er durch die Gaue Palästinas,
‒ redet in den „Schulen”, ‒ den ländlichen
Synagogen, ‒ um die Spur der Weisheit in
26 Das Buch der Liebe
den alten Schriften aufzuzeigen, ‒ redet
vor dem Volke in des Volkes Sprache, um
die Herzen zu erwecken, vertraut den
Freunden das Geheimnis seiner Sendung
an, das sie nicht deuten können, weil sie
viel zu sehr befangen sind in völkischen
Messiasträumen ‒ und wird von allen,
außer jenem, „den er liebte” ‒ nicht ver‐
standen.
.Er spricht von seinem „Vater”, und sie
glauben, daß er von ihrem Stammesgotte
rede, obwohl er diesem „Gott der Rache”,
der „zu den Alten” sprach, mit aller Deut‐
lichkeit den Dienst verweigert, ja dessen
vermeintliches „Gebot” aus Geisteskraft
vernichtend, lehrt: ‒ „Ich aber sage
euch...”
.Er spricht von seiner hohen Sendung,
und sie wähnen, er wolle ihres Erden‐
reiches äußere Herrschaft neu errichten,
obwohl er ihnen längst verkündet hatte,
daß er eines Reiches König sei, das „nicht
27 Das Buch der Liebe
von dieser Erde” Macht seinen ewigen Be‐
stand empfange.
.Er spricht von dem, was in ihm „Fleisch
und Blut” geworden war und lehrt Ver
körperung des Geistes, ‒ doch sie ver‐
stehen, daß sein Leib, den ihm die Erde
einst gegeben hatte, ihre Erdenspeise
werden müsse.
.Jene Armen, die er von Gebresten heilen
konnte, aus der Heilungskraft, die seinem
Erdenkörper eigen war und kaum die
Geistigkeit berührte, die er als sein wesen
haftes Sein erkannte, ‒ vertrauten ihm
als ihrem Helfer, doch sie ahnten nicht,
daß er die gleiche physische Hilfe hätte
spenden können, auch wenn er geistig nicht
gewesen wäre, der er war...
.Will man es ihm verdenken, wenn sein
Erdenhaftes einer schwachen Stunde Beute
wurde, so daß er den Hosannahrufen
traute, die ihm Erdenmacht versprachen,
28 Das Buch der Liebe
‒ daß ihm solche Macht verlockend nahe
schien, auch wenn er sie nur den Seelen
nutzbar machen wollte?! ‒
.Hier ist die kurze Schuldverstrickung,
der selbst dieses Leben nicht entgehen
konnte, denn keiner, den die Erde je ge‐
tragen hat, bleibt frei von Schuld!
.Wohl suchte er geradezu, um seiner
höchsten geistigen Aufgabe willen, den Tod
durch Menschenhand, weil er in sol
chem Tode nur das Letzte geben konnte,
was nur er zu geben hatte; ‒ doch wahr‐
lich war ihm dieser Tod zu früh gekom‐
men und es bedurfte höchster Kraft, ihn
willig hinzunehmen, so daß er aus tiefster
Seele seinen „Vater” bitten konnte, er möge
noch das Schicksal anders wenden, ‒ „wenn
es möglich” sei. ‒
.„Vieles” glaubte er seinen Schülern einst
noch sagen zu können, was sie zu jener Zeit,
wie er deutlich sah, „noch nicht tragen”
konnten...
29 Das Buch der Liebe
.Als aber ein Bote der Lichtgemein
schaft, der er angehörte, in jener angst‐
erfüllten Nacht zu Gethsemane ihm endlich
zeigte, daß sein Weg, so wie er ihn sich
selbst gestaltet hatte, auch durch den
Vater” aller derer, die in dieser Licht‐
gemeinschaft wirken, nicht mehr abzulenken
sei, ‒ da kehrt er in sich selbst zurück um
sich im Priesterkönigtum des Leuch
tenden zu finden, und geht als Held den
letzten, schweren Gang, belastet mit dem
Holz des Kreuzesgalgens. ‒
.An diesem Martergalgen, der dann später
einem uralt-heiligen Zeichen längst ver‐
gangener ehrwürdiger Kulte neue Deutung
gab, erfüllte er das letzte Liebeswerk ‒
Geheimnis allen, die ihn dort umstanden,
‒ und noch Geheimnis allen, außer selte‐
nen Sehern, bis auf den heutigen Tag!
— — — — — — — — — — — — —
30 Das Buch der Liebe
.Möge keiner wähnen, daß dieser Tod
an sich dieses letzten Liebeswerkes In
halt war!
.Hier ist ein Mysterium, das ich an anderer
Stelle schon, mit Scheu nur, zu enthüllen
wagte, ‒ und nur, weil Pflicht es mir ge‐
bot...
.Wer es erfassen kann, der fasse es!
.Hier ward ein Geisteskraftstrom allem
Menschengeist erschlossen durch die Liebe,
die dieses Buch dir kündet, ein Kraftstrom,
der nur durch das Opfer eines allgewaltig
Liebenden erschließbar war. ‒
.Hier wurde der „Gott” der Rache, ‒
der ärgste Dämon der Unsichtbaren im
physischen Kosmos, ‒ von einem Erden‐
menschen überwunden durch die absolute
Austilgung jeglicher Racheregung: ‒
ein Werk, das nur der höchsten Form ur‐
geistiger Liebe möglich werden konnte...
31 Das Buch der Liebe
.Was dir die alte Kunde noch berichtet
von dem, was nach dem Tode des größten
Liebenden sich dann ereignet haben soll,
ist, wenn du es geschichtlich fassen woll‐
test: ‒ Mythe, doch diese Mythe schließt
in sich die tiefste Wahrheit ein.
.Wohl ist der Meister aus dem Grabe
auferstanden”; ‒ es hätte ihm dabei
sein Erdenleib jedoch wahrhaftig nichts
mehr nützen können. ‒
.Wohl war der „Jüngling in weißem
Gewande” keine Täuschung schreckerfüll‐
ter Frauen, ‒ jedoch beachte auch die weiter
weisende Spur der Wahrheit, die der Schrei‐
ber jener alten Kunde nicht vertilgen konnte,
‒ die ihm sichtlich unerkennbar und un‐
verständlich war, ‒ und die er dennoch
gegen seinen Willen niederschreiben mußte,
so sehr er sich auch dann bemüht, sie wie‐
der zu verwischen: ‒
.Zwar waren es nicht die Schüler des
hohen Meisters, die den Erdenleichnam
32 Das Buch der Liebe
holten, so daß mit gutem Grunde der
Chronist behaupten konnte, hier sei ein
irriges „Gerücht” erhalten.
.Allein der Meister war in seinen Erden‐
tagen oftmals, fern von anderen Menschen,
in der Einsamkeit der Berge auch noch
anderen begegnet, die nicht aus seinem
Volke, aber Seinesgleichen waren, vereint
mit ihm in jener Lichtgemeinschaft, der
er Bruder, ‒ der er geistig einverwoben
war...
.Als er die drei aus seinen Zwölfen einst‐
mals mit sich nahm auf den Berg, wo er
zu „beten” pflegte, und sie ihn dann in
der „Verklärung” seiner Geistgestalt er‐
blicken durften, da glaubten die Getreuen,
als sie zwei Männer in weißen Gewändern
neben ihrem Meister sahen, dies müßten
sicher zwei der alten Propheten sein, ‒
„Moses” und „Elias”, ‒ so daß der Meister,
als er voll Enttäuschung ihren Irrtum sah, ‒
verbot, den anderen davon zu reden. ‒ ‒ ‒
33 Das Buch der Liebe
.Er sah, daß all sein Lehren nicht ver‐
mochte, sie aus der Enge ihres Stammes
glaubens zu befreien, und daß es nur Ver‐
wirrung stiften würde, wollte er den Irrtum
klären. ‒
.Doch, jene „Männer in weißen Gewän‐
dern” und der „Jüngling”, den die Frauen
noch im Grabe fanden, waren sich nicht
fremd, und da sie keinen Kultus um des
hohen Bruders Leichnam entstehen sehen
wollten, so taten sie, was man nach ihres
Landes Sitte mit dem Erdenüberrest des
Menschen auch noch heute zu tun pflegt:
‒ ‒ sie übergaben ihn der verzehrenden
Flamme, nachdem sie alles dafür an wohl‐
gewählter, vor aller Störung geschützter
Stelle vorbereitet hatten...
.Ich spreche hier, belehrt von dem, der
von sich wahrlich sagen durfte, daß er bei
den Menschen bleibe, „bis an das Ende der
Welt”, ‒ belehrt von jenen, die ich meine
34 Das Buch der Liebe
hohen Brüder nennen darf, und die in jener
Nacht einst selbst die Wächter tief in
starren Schlaf versenkten, um des Bruders
eigenem Willen, der zugleich der ihre war,
mit Umsicht zu entsprechen. ‒
.Wohl weiß ich, daß mich viele hier der
Selbsttäuschung zeihen werden, ja daß noch
Schlimmeres von „blinden Blindenleitern”
meinen Worten selbstgerecht als Anwurf
werden mag.
.Es ist das Kennmal verkrüppelter Seelen,
jede Lebensbekundung zu verneinen, zu
deren Aufnahme ihnen die geistigen Organe
fehlen!
.Wohl weiß ich, daß ich hier an Dinge
rühre, die gar manchem als „unantastbar
gelten, ‒ allein des größten Liebenden Er‐
lösungslehre wird durch die Wahrheit
wahrlich mehr verklärt, als durch den älte‐
sten, gewohnheitsmäßig weiterüberlieferten,
unbewußten frommen Trug, ‒ der über‐
dies nicht mehr länger Trug bleibt, sobald
35 Das Buch der Liebe
man ihn als Dichtung wertet, die nur
der Wahrheit ein symbolisches Gewand zu
weben suchte...
.Auch jene Massenerweckung, die
dann am „Pfingstfest der Juden” zu Jeru‐
salem sich ereignete, war nicht imstande,
alle Hüllen von den Seelen derer zu ent‐
fernen, die nun an den Meister glaubten,
da sie ihn nach seinem Erdentode wieder‐
holt „gesehen” hatten.
.Zu enge Bindung war um diese Seelen,
als daß der „Geist der Wahrheit”, den
der Meister einst verheißen hatte, sie aus
sich vollenden konnte.
.So hatte Paulus, dieser wahrhaft Lie
bende, den man den „Heidenapostel” und
„Völkerlehrer” nennt, gar harten Stand, als
er, der wirklich einst in tiefsten Schauern
den „Geist der Wahrheit” in sich erlebte,
und dann wußte, wer der hohe Meister
war, ‒ jenen allzu eng Gebundenen be‐
36 Das Buch der Liebe
gegnete, die sich die Schüler des „Gesalb‐
ten” nennen durften! ‒
.Und doch war auch der zum Christus‐
verkünder gewordene frühere Pharisäer‐
schüler nicht von allem Vor-Urteil frei ge‐
worden und mengte guten Glaubens manches
Alte, ihm Vertraute, in der Folgezeit des
Meisters Lehre bei, obwohl er weitaus
klarer sah als jene andern, die sich die
„Boten” einer Lehre nannten, von der einst
der Meister selbst als von der „frohen
Botschaft” sprach. ‒
.Recht unfroh ist leider die Lehre aus‐
gefallen, die im Laufe der Jahrhunderte
zur Macht über die Seelen gelangte, auf
das Meisterwort von der „frohen Botschaft”
gar selbstgerecht gestützt! ‒ ‒
.Johannes aber, den der Meister nach
dem Wort der alten Kunde „liebte”, hielt
sich in der Stille und die Stillen hielten
sich zu ihm.
37 Das Buch der Liebe
.Nur er besaß, was einst der Meister
selbst mit eigener Hand ihm nieder
schrieb, und spät erst ließ er Wenige,
die ihm würdig schienen, davon Abschrift
nehmen.
.Hätte Jesus wirklich, wie man gemein‐
hin glaubt, nur mündlich gelehrt und
nichts niedergeschrieben, so wäre wahrlich
auch nicht ein einziges von ihm ge‐
formte Wort auf uns gekommen! ‒ ‒
.Die Urschrift wie das Nachgeschriebene
sind dann, wie ich schon anderen Ortes sagte,
durch jene selbst vernichtet worden, die
in diesen Meisterschriften ihren höch‐
sten Schatz besaßen, aus Furcht, das Heilige
könne dereinst Entweihung finden.
.Auch dieses Faktum ist mir nur er‐
wiesen, durch die mir im Urlicht geistig
Vereinten, die allein hier „wissen” kön‐
nen, doch mag es sein, daß spätere Ge‐
schlechter hier auch noch auf textliche und
andere Spuren stoßen, die dann auch äußer
38 Das Buch der Liebe
lich die Wahrheit meiner Worte offenbaren
werden, denn in geistigem Schauen sehe ich
solche Fragmente und Textstücke noch im
Bereiche der Erde, wenn ich auch nicht den
Ort, an dem sie ruhen, zu bestimmen weiß...
.Gewisse Spuren sind ja für alle weit‐
hin sichtbar in jenem Teil der alten Kunde,
der eben jenem Einen zugeschrieben wird,
den einst der Meister „liebte”. ‒
.Die Unzulänglichkeiten dieses Teils der
alten Kunde werden leicht verstehbar, wenn
man weiß, daß ihr Verfasser, der dem Schüler‐
kreis des Johannes nahestand, auf den „Mei‐
sterschriften” fußte, und nur damit ver
binden wollte, was er sonst noch an Über‐
liefertem und Legendärem, bruchstückhaft,
besaß.
.Von dem, was man dem Schüler zu
schreibt, den der Meister „liebte”, ist
freilich nichts von dessen Hand geschrie‐
ben, allein die Art der Schriften, die man
seinen Namen tragen ließ, ist nicht gar
39 Das Buch der Liebe
weit von dem entfernt, was er geschrieben
haben könnte, ‒ hätte er geschrieben.
.Doch, alle diese Fragen sind nur denen
wichtig, die von außen her erfassen möchten,
was sich nur im Innersten erfassen läßt. ‒
.Diese allein auch sind es, die danach
fragen, wer einst dem hohen Meister Lehre
gab, und die mit willigem Gehör so manche
Mär beachten, die zu erzählen weiß, daß
Jesus in der Zeit, von der die Kunde
schweigt, in Indien gewesen sei, ‒ und
anders wieder: daß er in Ägypten sich
vollendet habe.
.Nichts von dem ist wahr!
.Wohl suchte einst sein irdischer Vater
in Ägypten, wo man dazumal das Hand‐
werk lohnte, Arbeit, um die Seinen zu er‐
halten und mit dem übrigen Erlös zurück‐
zukehren in die Heimat, so wie dies heute
noch die Handwerker Italiens und anderer
40 Das Buch der Liebe
Länder halten, jedoch zu jener Zeit war
der, dem später seine Lichtnatur sich
zeigte, noch ein Kind, und wirklich noch
nicht reif, um die Vollendung seines Irdi‐
schen zu finden, wie sie Vorbedingung ist
für jeden, der sein Leuchten im Urlicht
irdisch bewußt erleben soll.
.Nach Indien aber brauchte er seine
Schritte wahrlich nicht zu lenken, denn was
aus Indien” ihm kommen mußte, kam
zu ihm, und jenes wundervolle Bild der
„Weisen aus dem Morgenlande”, der Prie
sterkönige, die „seinen Stern” erblickten
und ihm ihre Gaben brachten, ‒ ward nur
zurückdatiert in frühe Kindheit, weil hier
den Schreibern selbst nur dunkle Kunde
wurde, und weil es so dem Wunderbaren,
das sie mit des Meisters erster Kindheit
schon vermählen wollten, besser diente.
.Daß Geistiges aber nur im Geiste
faßbar werden kann, war den frommen
alten Chronisten ein eben so ferner Ge‐
41 Das Buch der Liebe
danke, wie den Wundersüchtigen unserer
Zeit, obwohl doch der Meister Gott nur „im
Geiste” suchen hieß. ‒
.Im Äußeren war naturnotwendig in des
Meisters Kinderjahren nicht das mindeste
des „Wunderbaren”.
.Er war ein Kind wie seine Spielgenos‐
sen, und als er Kraft genug besaß um bei
dem schweren Handwerk seines Vaters mit‐
zuhelfen, lernte er das Handwerk, so wie
jeder Zimmermann, dem in jener Zeit
außer dem Hausbau auch noch mancherlei
andere Holzbearbeitung oblag.
.Die innere Entfaltung aber blieb
geheim, wie sie bei jedem bleibt, der
gleicher Geistesartung ist, und was diese
geistige Entfaltung für sich verlangte, hin‐
derte in keiner Weise äußeres Tun.
.Der so als Erdenmensch seine Geistes
macht erfassen lernte, die längst vollendet
war, bevor ihm seiner Mutter Leib das Kleid
42 Das Buch der Liebe
der Erde geben konnte, war auch kein Ab‐
seitssteher wo das Leben rief, denn nie‐
mals hätte er sein hohes Ziel erreicht, wenn
er dem Leben fremd geblieben wäre.
.Er war ein Handwerksmann, bis ihm
die Stunde kam, die ihn zu anderem rief,
wo er alsdann erweisen konnte, daß er
besser als die „Schrift-Gelehrten” in der
„Schrift” zu „lesen” wußte, ‒ ohne sie,
wie jene, einst „gelernt” zu haben.
.Die Fakirwunder, die ihm die Chronisten
überbürdet haben, hat er nie gewirkt, ‒
jedoch ist manches „Wunder”, das ihm zu‐
„geschrieben” wurde, ein tief gehaltvolles
Symbol, und so: voll Wahrheit, während
seine angeborene Kraft der Kranken
heilung ihn zu mancher Tat befähigte,
die wohl für seine Umwelt großes „Wun
der” war, aber nicht das mindeste zu tun
hatte mit seiner geistigen Sendung.
.Daß er sich selbst auf seine „Wunder‐
zeichen” je berufen hätte, um so den Glauben
43 Das Buch der Liebe
an sein Wort zu fordern, ‒ heißt ihn, der
wirklich wußte, was des Körpers, was des
Geistes ist, in unerhörter Weise schmä
hen, ‒ ‒ und nur naive Nichterkenntnis
konnte jene Worte, in denen er angeblich
auf seine Wunder verwies, ihm zu eigen
geben, in der Erwartung, dadurch der Lehre
des Meisters äußerliche Bestätigung zu ver‐
schaffen.
.Es wurde so unsäglich an seiner Lehre
gesündigt um des Menschenfischfangs
willen, und noch heute wirken diese Sünden
törichter Verbreiter der arg entstellten Lehre
fort, und ist kein Ende dieser Irreführung
abzusehen!
.Möge es mir gelingen, hier doch ein
Weniges aufzuhellen, für alle, die noch
guten Willens” sind!
.Die Glaubensnot der vielen, die des
Meisters Lehre nur in der Entstellung
kennen und durch die neuere äußere Er‐
forschung jener alten Kunden stets auf neue
44 Das Buch der Liebe
Zweifel hingeleitet werden, ist wahrlich
längst in solchem Maße unerträglich, daß
endlich eine Klärung nötig wird, die nur
von denen zu erwarten war, die selbst
den Künder dieser Lehre, lebend ihrem
Kreise einverwoben, ‒ kennen, dem
Kreise, von dem er ausging: gesandt vom
Vater”, und dem er wiederkehrte, als
sein Erdenwerk vollbracht erschien!
.Von hier aus nur kann der Gegen
wart und der Zukunft manchen „Rätsels”
Lösung werden, und auch die Wissenschaft
wird in solcher Einstellung ihres Suchens
einst zu finden wissen, was sie finden
kann, um solche Lösung denen dann ge‐
recht zu machen, die nur erfassen können,
was sich „greifen” läßt. ‒
.Alle über das bloße irdische Tierdasein
des Menschen hinausreichenden Fragen der
suchenden Menschheit werden dereinst ihre
Antwort finden, nachdem man mehr und
mehr das Wirken der geistigen Hierarchie
45 Das Buch der Liebe
erkennen lernte, deren bedeutendster und
wichtigster Abgesandter der Meister von
Nazareth war...
.Wie fälschlich sind doch alle beraten,
die in dieses Weisen hoher Lehre das
schwächliche Gefühl empfohlen glauben,
das man so gemeinhin „Menschenliebe
nennt! ‒ ‒
.Ihren Beratern ward es oftmals schwer,
des Meisters Handeln, wie es die Berichte
künden, so zu deuten, daß die Deutung,
ihrer Meinung nach, zu Recht bestehen
konnte. ‒
.Da gibt es Dinge, die nicht recht pas
sen wollen, will man den sanften Säusel‐
bold, den fromme Kanzelrede schuf, in die
Berichte strecken...
.Der Krafterfüllte, der, trotz aller Ver‐
schüttung reiner Kunde, dort noch lebt,
will sich gar schwer den süßlichen Bildern
46 Das Buch der Liebe
ähnlich finden lassen, die dünner Glaube
sich nach eigenem Ausmaß, hold und
schwächlich ausersann...
.So manches Wort der „Schrift” läßt sich
mit solchen Bildern nur vereinen, wenn
ausgeweitetes Gewissen dieses „Schriftwort”
sich nach eigenem Bedürfnis in „Er
klärung” umfälscht, bis selbst das Wenige
geschwunden ist, das die Verschüttung frü‐
her Zeit noch übrig ließ. ‒
.Blasphemisch würde solchem süßen
„Schrift”-Erklärer der Gedanke dünken, der
hohe Meister könne je in seinem Leben
jene Kraft der Liebe in sich selbst emp‐
funden haben, die zwar sein „Diener”, mag
sie ihm nach seines Glaubens Meinung nun
„erlaubt” sein oder nicht, sehr wohl im
eigenen Fleische fühlt, ‒ doch „sündhaft”
nennen muß, da er von ihrer Göttlich
keit nichts ahnt!
.Blasphemisch dünkt es ihm, daß diese
Form der Liebe gleicher Kraft entströmen
47 Das Buch der Liebe
soll, die jene höchste Form der Liebe
schafft, wie sie in des hohen Meisters Leben
Lehre ward und Tat, ‒ die ihn zu jener
Liebestat erkraften konnte, durch die der
Priesterkönig, der er war, am Kreuzes
galgen alle Menschheit krönte!
.Und doch, mein Freund, wirst du die
Liebe, die der Meister kannte, nimmer
finden, wenn du in dir nur süßliche Ge
fühle weckst und deine Menschenfreund
lichkeit gepaart mit Mitleid, ‒ „Liebe”
nennst! ‒ ‒
.Schlecht paßt zu diesem Schwächebild
vermeinter „Liebe”: der von Verachtung
des Verächtlichen erfüllte Meister, der sich
im Gefolge der Seinen Stricke dreht, das
Händlervolk der Tempelschänder aus
zutreiben, ‒ der für der Wechsler
Gold nur einen Fußtritt hat, und der
die Priester seines Volkes jene bösen
Worte hören läßt, die sie in ihrer Rach
sucht nimmermehr vergeben konnten!
48 Das Buch der Liebe
.Um solches Tun der eigenen Unbe
rufung anzuähneln, mußte das Wort vom
„göttlichen Zorn” erfunden werden, und
man entblödete sich nicht, dem „Vater im
Himmel” des hohen Meisters jene Laster
anzudichten, die, verängstigender alter Prie‐
sterlehre nach, einen düsteren Stammes
gott erfüllten, den einst der hohe Meister
geistig niederschlug mit seinem gewaltigen
Wort:
.Ich aber sage euch...!”
.Ach nein, ‒ wenn du die Liebe in dir
Wirklichkeit und Leben zeugen sehen
willst, dann mußt du wahrlich andere
Wege gehen, als jene, die man dir zu zeigen
wußte!
.Kannst du denn nicht verstehen, daß
die Kraft der Liebe sich auf ihrer höch
sten Stufe keineswegs in schwächerer Be‐
kundung zeigen wird, als dort, wo sie in
49 Das Buch der Liebe
niederer Form schon all dein Sinnen,
Tun und Trachten steigert, so daß du oft
Fesseln sprengst, die vorher nie dir lösbar
schienen?!? ‒
.Nur, wenn du etwas in dir suchst, das
auch in höchster Geistigkeit die gleichen
Kräfte weckt, und alles meistert, was
dich sonst in Banden hält, wirst du die
Liebe, die der Meister lebte, in dir finden
können! ‒ ‒
.Dann erst wirst du die Freiheit der
Kinder des Lichtes” erlangen und jenen
Frieden, den die Welt nicht geben
kann”!
.Du darfst in den Worten der alten Kunde
auch nicht neue „Gebote” sehen!
.Glaube mir und lasse dich nicht durch
Verschüttung täuschen: ‒ der Meister hat
niemals das Wort „Gebot” gebraucht,
und niemals hat er „Gebote” gegeben!
50 Das Buch der Liebe
.Selbst das „Gebot” der Liebe, das die
Kunde meldet, hat er nie geformt!
.Allenfalls hat er gelegentlich aus der
„Schrift” zitiert:... „Du sollst deinen
Nächsten lieben, wie dich selbst!” ‒ wenn
er orthodoxen Fanatikern seines Volkes
zeigen wollte, daß auch er ihr „Gesetz”
sehr wohl kenne...
.Seiner Schüler gewohnte Bindung durch
Gebote” und „Gebote halten”, hat die
Umformung seiner Räte in Gebote bewirkt!
Nicht anders konnten sie seine Räte ver
stehen, es sei denn als „Gebote”!
.Sie brauchten, alter Observanz des Juden‐
tums getreu, Gebot, ‒ ‒ und Strafan
drohung für Verletzung des Gebots! ‒
.Wenn der Meister nun vom Seligwer
den sprach, so formten sie sich frei nach
seiner Rede ein „Rezept” zum Selig‐
werden! Man brauchte, ihrer engen Mei‐
nung nach, nur die „Gebote” zu halten, um
51 Das Buch der Liebe
des Erfolges „in jener Welt” dereinst sicher
sein zu dürfen.
.Nicht anders, wie heute unklare Köpfe
glauben, Licht und Sicherheit des Erken‐
nens sei durch irgendwelche mysteriöse
Übungen” erlangbar, die in bedenk‐
lichen Traktätchen immer wieder angeprie‐
sen werden.
.Was nun jene alte Kunde aber auch
schon in ihrer allerersten Niederschrift
an Echtem allein enthielt, war doch nur
Nachklang von des Meisters Lehre, und
allerbestenfalls Erinnerungsbericht aus da‐
mals schon jahrzehntelang vergangenen
Tagen...
.Es ist wahrhaftig lästerliches Unter‐
fangen, den Geist der Ewigkeit für solche
Aufzeichnung verantwortlich zu machen,
bei der die Schreiber selbst, in alter
Götterlehren Wahn, der ihre Zeit in
neuer Abart durchschwirrte, schon be
52 Das Buch der Liebe
fangen, und längst noch nicht gelöst
von eines argen Stammesgottes Hörig
keit, des Meisters schwach noch in Er‐
innerung zurückgerufene Lehre aus eigener
verschwommener Erkenntnis neu zu for
men suchten, und gar nicht merken konn‐
ten, wie sie fälschten! ‒ ‒
.Niemals hat der hohe Meister seinen
Schülern „Gebote” gegeben, sonst wäre er
nicht der hohe Leuchtende gewesen, der
er war und ist und ewig bleiben wird!
.Seine Lehre war ein „Wohl dir!” und
Wehe dir!” ‒ wie aller Lehre, die seine
Brüder: ‒ seine im Reiche des Geistes ihm
geeinten Mitarbeiter sind...
.Er wußte seligzupreisen und wußte
zu verdammen, aber ferne lag es ihm,
jemals zu „gebieten”!
.Dazu wußte er, als ein Leuchtender
des Urlichtes, denn doch wahrlich viel zu
gewiß, daß durch „Gebote” niemals Segen
53 Das Buch der Liebe
werden kann, ‒ und daß das Heil nur zu
erlangen ist, wenn man aus freier Wahl
danach verlangt.
— — — — — — — — — — — — —
.Wirst du so des Meisters Lehre aus der
alten Kunde dir zu retten suchen, dann
wirst du freilich vieles streichen müssen,
was dir lieb und wert geworden war von
Jugend auf! Manches andere wirst du dir
dennoch wohl verwahren können, gerade
weil du es als fremde Zutat erkanntest.
.Hüte dich, damit du nicht Allzuvieles
als irrig tilgen wirst!
.Du darfst beileibe nicht etwa modernen
Rationalismus als Probierstein wählen!
.Warte erst eine gute Weile, bis dir der
wahre Sinn meiner Worte eigene Be
stätigung weckte!
.Ich gab dir alle Kriterien der echten
„Worte des Herrn”!
54 Das Buch der Liebe
.So höre auch weiter noch das Folgende:
.Kyrios” = „Herr”, redet man auch
noch heute allerorten, so man griechisch
spricht, jeden Menschen an, der nicht ge‐
rade ein Bettler ist!
.Kyrie eleyson” fleht der Bettler, der
an der Straße sitzt, zu dem Vorübergehen‐
den hinauf.
.Das möge dich belehren, damit du nicht
aus falscher Scheu das Wort: „Der Herr”,
in jener alten Kunde, irrig deutest und ihm
einen Sinn gibst, den es erst lange nach
des Meisters Tod im werdenden neuen Kult
erhielt.
.Rabbi” sagten seine Schüler zu dem
Meister, und auch dieses Wort könnte irrige
Deutung bewirken, führt diesen Titel in
der Öffentlichkeit doch heute nur einer, der
wohlbestallter Prediger einer Synagoge ist.
.Ich darf dir aber sagen, daß man auch
heute noch dem frommen Schriftbewan‐
55 Das Buch der Liebe
derten in der jüdischen Gemeinde, mag er
auch im Alltag Handel oder Handwerk
treiben, den Ehrennamen „Rabbi” gibt!
.Nicht anders führte ihn der Zimmer
mann, der den Seinen „die Schrift auf‐
schloß”, da er ein Meister des hohen
Leuchtens war, ein Glied der Licht
gemeinde hier auf Erden, von der dir
wohl auch Kunde ward als von der „Weißen
Loge”, ‒ eine Bezeichnung, die erst in
neuerer Zeit entstand, und von mir nur
beibehalten wird, da sie bildhaft brauch‐
bar ist!
.Die seine Brüder sind, ‒ ihm völlig
geeint in Geistvereinigung wie er ihnen, ‒
nennen ihn: „den großen Liebenden”,
da keiner vor ihm jene große Liebestat
vollbrachte, der er aus freiem Willen sich
zum Opfer weihte, ‒ da keiner nach ihm
jemals eine Tat vollbringen kann, die nur
vergleichbar seinem Liebeswerke wäre,
durch das die Geistes-„Aura” dieser Erde
56 Das Buch der Liebe
sich verwandelte für alle Zeiten und für
alle Erdenmenschen, so daß seitdem allen
Menschen geistige Regionen zugänglich wur‐
den, die vorher nur wenige Einzelne in
unerhörter Selbstbezwingung erreichten.
.Ich bin mir wohl bewußt, daß meine
Worte dir nicht sagen können, was die
Liebe ist, die Leben wurde in dem größ
ten Liebenden, den je die Erde trug...
.Ich kann dir nur zeigen, wie du die
Spur dieses Lebens finden kannst, trotz
aller Verschüttung, unter der die Kunde
liegt, die von diesem Leben dir berichten
will.
.Möchtest du dieses Lebens Lehre rein
in deinem Innersten empfinden, wo sie
allein in ihrer Kraft empfangen werden
kann, damit der Meister in dir einen würdi‐
gen Schüler fände!
.Aber wisse, daß auch alles, was ich dir
hier geben darf, der gleichen Quelle ent‐
57 Das Buch der Liebe
stammt, aus der einst Jehoschuah, als
Leuchtender des Urlichts, schöpfte!
.Es gibt kein Wort, das der „große
Liebende” von sich einst sprach, das ich
nicht in gleicher Weise von mir sagen
dürfte, wenn es nötig wäre...
.In einem nur muß auch ich vor ihm
voll Bewunderung mich beugen, und wie
ich wahrlich um dieses eine weiß, so weiß
ich auch, daß keiner meiner Brüder ist,
der hier nicht ehrfurchtsvoll vor ihm sich
neigen müßte.
.Dieses Eine aber ist das Maß der Liebe,
die in ihm und seinem Wirken zur leben‐
digen Entäußerung kam!
.Aus seiner Liebe wird auch dir das
Leben werden, wenn du erfassen kannst,
was ich in allen meinen Schriften dir zu
künden komme!
.Wohl dir, wenn du an meinen Worten
dich nicht „ärgerst”, da der Mann, von
58 Das Buch der Liebe
dem ich hier rede, vielleicht auch dir zum
Gotte” ward, wie er es Unzähligen in
ihrer eigenen oder von anderen vermittel‐
ten Vorstellung wurde, obwohl ihm in seinen
Erdentagen kein Wort scharf genug gewesen
wäre, um solche Vergötterung von sich weg‐
zuweisen! ‒ ‒
.Ich rede aber hier nicht etwa von dei‐
nem, durch die erdenhaften, hirnerzeugten
Meinungen Unzähliger in den letzten zwei
Jahrtausenden aufgerichteten „Gotte”, dem
du den Namen des großen Liebenden gibst,
wie deine blickbeschränkten, angstgetriebe‐
nen Lehrer dich geheißen haben.
.Ich rede allein von dem geistgeeinten
Erdenmenschen, der nach seines Erden‐
leibes Marter und Tod, entgegen seinem
Willen, solcher allzumenschlich begrenzten
Gottgestaltung gesuchtes Vorbild wurde...
.Bis in seine tiefsten Wurzeln ist mir das
menschliche Drängen vertraut, sich Götter
59 Das Buch der Liebe
zu gestalten nach Menschenebenbild, und
ich ehre gewiß mit dir die hohen Menschen‐
formen, die im Verlaufe der Jahrhunderte,
deinem glaubenstreu, nach menschlichem
Ermessen dargestellten Anbetungsbilde die‐
nen mußten.
.Allein: ‒ ich bin auch untrennbar ver‐
eint mit der Geisteswesenheit des histori‐
schen Menschen, der so ungewollt Ursache
wurde, daß dieses Anbetungsbild in seinem
Namen aufgerichtet werden konnte.
.Dieser Geisteswesenheit Stimme und
Zeugnis zu geben, ist mir geboten durch
die geistige Struktur des Lebens, das mich
aus sich gebar wie es sie einst in einem
Menschenleib geboren hatte...
.Ich kann die Zeit erwarten, der diese
Worte weder als Vermessenheit, noch als Aus‐
druck psychischer Trübung gelten werden!
60 Das Buch der Liebe
VOM URFEUER DER LIEBE
.Sage nicht, du habest die Liebe, so‐
lange du noch Sorge trägst um dich selbst!
.Den „Lilien des Feldes”, ‒ die im Orient
wild über weite Strecken wachsen, ‒ und
den „Vögeln des Himmels” gleich, darfst du
die Sorge um dich selbst nicht mehr
kennen, wenn du der Liebe fähig werden
willst, in ihrer höchsten Form!
.Solange dich noch die gemeine angst‐
genährte Sorge um dich und dein Erden
schicksal quält, ‒ die nichts anderes als
offenkundiger Mangel an Vertrauen zum
Ewigen ist, ‒ weißt du wahrlich noch nichts
von der Liebe, die einst der hohe Meister
lehrte, ‒ der Liebe, die allein dir die Frei
heit geben kann. ‒ ‒
.Du versklavst dich selbst deiner Sorge
und kannst doch bei allem Sorgen nichts
dadurch gewinnen!
63 Das Buch der Liebe
.Die göttlichste Kraft aber ruht un
genutzt in dir, da du sie nicht zu ge
brauchen weißt!
.Du „liebst” vielleicht „aus ganzem
Herzen” alle, die dir „teuer” sind, die du
nie in diesem Erdenleben verlieren möch‐
test, und du hast dich wohl gar zu einer
„allgemeinen Menschenliebe” überredet, ‒
ja du „liebst” die Tiere und die Pflan
zen, „liebst” alles, was du erblicken magst?
.Du wirst erstaunt sein, wenn ich dir
sage, daß du trotz alldem, schwerlich schon
in der Liebe lebst!
.Die Sprache deines Landes kann dich
hier belehren, denn du pflegst von einem,
den du auf deine Weise „liebst” zu sagen:
Ich habe ihn gern.” ‒
.Auf das „Haben” kommt es dir bei
deiner „Liebe” an und auf ein Wohl
gefühl bei diesem „Haben”, ‒ sei es auch
64 Das Buch der Liebe
nur ein „Haben” durch Sehen und Hören,
oder durch bloßes Bewußtsein, daß ein
nahe oder ferne weilender Mitmensch dir
zugehöre! ‒ ‒
.Die Liebe aber, von der des „großen
Liebenden” Lehre redet, die Liebe, von der
dieses Buch hier dir künden soll, ist eine
geistige und zugleich auch irdisch, allem
Leben einverwobene urweltliche Kraft, die
dich so durchströmen muß, wie dich die
niedere Form der gleichen Kraft durch‐
strömt in alles überwindendem Erschauern,
wenn du die Liebesflammen deiner Erden
tierheit in dir brennen fühlst! ‒
.In dieser „irdischen” Liebe begehrst
du noch, denn hier will die Liebe den
Gegenstand der Liebe; ‒ in ihrer „himm‐
lischen” Form aber wird sie sich selbst
zum Gegenstand, so daß hier jedes Be
gehren dich verläßt! ‒
.In der „irdischen” Form der Liebe
ist stets ein Ver-langen, ein Daneben
65 Das Buch der Liebe
langen, ‒ ein Greifen nach außen und
ein Heranziehen; ‒ in ihrer „himm‐
lischen” Form jedoch wird sie inneres
Leuchten, ein Strahlen und Wärme
geben, ‒ ein Überströmen aus dem In
nern über alles Äußere...
.Diese hohe Form der Liebe erst wirkt
alle wahren Geisteswunder innerer Er
weckung, läßt alles das „von selbst” in
dir werden, um das du dich noch mühst,
es zu erlangen, im Glauben, irgend eine
mysteriöse Methode, irgend ein „Training”
könne es dir eines Tages bringen!
.Deine Menschenfreundlichkeit aber,
und dein geistiges Besitzverlangen, das
du „Liebe” nennst, können dir freilich
niemals die Kraft zu eigen werden lassen,
die in wörtlichster Wahrheit „stärker ist
als der Tod”! ‒ ‒
.Alles, was du bis jetzt mit dem Worte
„Liebe” zu bezeichnen pflegtest, wenn du
66 Das Buch der Liebe
nicht nur an die tiefere Stufe der Liebe
dachtest, in der sich die Leiber begehren,
‒ alles das wird erst wahrhaft vollendet
werden, wenn du selbst erfüllt bist von
der Urfeuerkraft der Liebe!
.Deinem ganzen Sein wird alsdann ent
strömen, was du jetzt noch mit mancher
Mühe zu verwirklichen suchst! ‒
.Was dir heute noch „Pflicht” und
Tugend” heißt, wird dann die selbstver‐
ständlichste Erfüllung deines Daseins
werden! ‒
.Du kannst auch die Urfeuerkraft der
Liebe nicht in dir entflammen, ohne in
einemfort ihre Strahlen aus dir zu er
gießen, und alles, was dir nahekommt,
wird dieses stete Strahlen empfinden.
.Was ehedem nur Widerstand oder An‐
griff war, wenn es dir begegnete, wird dann
dir entgegenkommen, um sich mit dir aus
freien Stücken zu verbünden!
67 Das Buch der Liebe
.Eine innere Umkehr aber wird von dir
verlangt, willst du zu einem Sonnenfeuer
höchster Liebeskraft entbrennen. ‒
.Ohne diese bewußte Umkehr, ohne solche
dauernd festgehaltene neue Einstellung dei‐
nes Strebens, wirst du gewiß nicht in die
Liebe gelangen!
.Du wirst dich wandeln wollen müssen,
willst du dich verwandelt sehen! ‒ ‒
.Bisher warst du auch im Geistigen
ein Verlangender, ‒ aber man kann dir
hier nur geben, was du noch nicht be
sitzest, einerlei, um was immer du bitten
magst, und ob du um deinen geistigen
Besitzstand weißt, oder nicht. ‒
.Du aber besitzest bereits, wenn auch
ohne dein Wissen, in dir die hohe Kraft
der Liebe, von der ich rede, so daß man
sie dir nicht erst zu geben braucht, und
es kommt nur auf dich an, ob du sie
68 Das Buch der Liebe
gebrauchen willst, damit sie sich dir offen‐
bare! ‒
.Du mußt zur „Sonne” werden wollen, ‒
zur „Sonne”, die aus sich selber leuchtet,
‒ ‒ und sobald du diesen Willen dauernd
hegst, wirst du mehr und mehr im Feuer
höchster Wirkungsweise der Liebe erglühen!
.Noch hast du zu viel Furcht vor diesem
Entbrennen!
.Deine törichte Angst, dich etwa zu ver‐
lieren, hält dich von dem Wagnis zurück,
das du wagen solltest!
.Du fühlst in dir wohl eine mäßige
Wärme, nennst sie „die Liebe”, und läßt
dir gerne daran genügen, ‒ nur wunderst
du dich dann, daß dieser schwachen Wärme
Strahlen nichts in dir und nichts nach
außen hin vermögen, ja daß sie auch in
deinem Erdenschicksal völlig machtlos
bleiben! ‒
.Du ahnst noch nicht, zu welcher Strah
lungskraft du gelangen könntest, wenn
69 Das Buch der Liebe
du dich selbst zur „Sonne” wandeln woll‐
test, statt träge nur von anderen Sonnen
erwärmende oder stärkende geistige Strahlen
zu erwarten!
.Alles in dir muß fortan geben wollen,
wenn du das Höchste, das in dir selber
ist, aus dir empfangen willst! ‒ ‒
.Mag dir auch nur ärmlich wenig schei‐
nen, was du vorerst zu geben hast, so
wird doch selbst dieses Wenige schon völlig
genügen, um dich zum „Strahlen” zu
bringen, wenn nur dein Wille intakt bleibt,
mehr geben zu wollen als von anderen
zu erwarten!
.Von einem indischen Fürsten wird
berichtet, daß er einst einen Yogi fragte,
welches die Empfindungen eines Vollende‐
ten seien? Der Yogi aber sagte darauf, man
habe ihn ebenso einst nach den Gefühlen
eines Liebenden gefragt und er habe nur
antworten können:
70 Das Buch der Liebe
.Wenn du ein Liebender bist, wirst
du es wissen.” ‒
.So kann auch ich hier von der höch
sten Form der Liebe, als einer ewigen,
urweltlichen Kraft nur immer in Bildern
reden, denn ich kann dir ebensowenig diese
himmlische” Liebe in Worten erklären,
wie ich dir jene andere Form der Liebe
in Worten faßbar machen könnte, die man,
da sie nur allein im Erdendasein sich
auswirkt, die „irdische” Liebe nennt. ‒
.Du mußt in beiden Fällen dich von der
Liebe entflammen lassen, wenn du wissen
willst, was die Liebe in ihrer ans Physi
sche gebundenen, oder in ihrer höchsten
geistigen Form in Wirklichkeit ist!
.Wie du als ein erdenhaft Liebender die
irdische” Form der Liebe in dir trägst,
auch dann, wenn ihre Glut zur Zeit dich
nicht entbrennen läßt, so ist auch jeder
zeit, obwohl sie dir noch nicht bewußt
ward, zugleich die „himmlische” Form
71 Das Buch der Liebe
der gleichen Kraft in dir, die über dieses
Erdendasein weit hinaus in Wirkung tritt,
und dir auf Erden eine Götterfreiheit
gibt, weil alles sich ihr beugen muß, was
dir begegnen kann. ‒ ‒
.Von solcher Liebe und ihrer Allgewalt
sprach einst der hohe Meister aus Nazareth,
und er selbst nahm alle seine Kraft aus
dieser Liebe...
.Von solcher Liebe sprach jener Liebende,
der des Meisters Lehre größter Verkünder
ward, wenn er von sich selbst sagt: „Hätte
ich die Liebe nicht, so wäre ich tönendes
Erz nur, oder gleich einer klingenden
Schelle!” ‒ Beides gibt wohl Klang,
wenn es von außen angestoßen wird, doch
fehlt ihm inneres Leben, das den Klang
aus sich heraus erzeugen könnte. ‒
.Die Liebe, von der wir hier reden, aber
wirkt stets aus sich selber, ohne Anstoß
von außenher!
72 Das Buch der Liebe
.Wie lange noch soll sich der Mensch der
Erde dieser Liebe verschließen?! ‒
.Wenige nur haben um sie gewußt, ‒
wenige nur wurden ihr zum Gefäße, ‒ aus
all den Geschlechtern, die je dieser Erden‐
sonne Licht empfingen.
.Die Kräfte der äußeren Erdnatur
lernten längst den Menschen als Herrscher
kennen, jedoch in seinem inneren Bereich
begnügt er sich in schwächlichen Versuchen,
mit seinen Kräften zu paktieren, da er die
hohe Kraft in sich nicht kennt, durch die
er nicht nur Herr der Innenkräfte sei
ner physischen Natur geworden wäre,
‒ sondern auch nach außen hin der höch‐
sten Wirkung mächtig, ‒ würde auch nur
ein größerer Teil der Erdenmenschheit ge‐
meinsam sich in dieser Kraft ver-einen...
.Wo jemals Seelen aus dem Dunkel
fanden, wo jemals hohe Tat geschah, um
durch Jahrhunderte zu leuchten, wo je das
Tier im Menschen sich dem Geistesmen
73 Das Buch der Liebe
schen unterwerfen mußte, dort war diese
hohe Kraft im Einzelnen erwacht und
konnte in die Vielen überströmen um sie
zu entflammen. ‒
.Immer wieder aber haben die so Ent‐
flammten alsbald das himmlische Feuer wie‐
der erlöschen lassen, weil sie zu träge
wurden, ihm aus Eigenem neue Nahrung
darzubieten...
.Auch diesen dunklen Tagen irren Hasses,
die den „Gott der Rache” wieder mächtig
werden ließen, dem der große Liebende
aus Nazareth einst seine Macht entwin
den lehrte, ‒ diesen Tagen babylonischer
Verwirrung der Gehirne, ‒ tarantel‐
süchtiger Vernichtungswut aus Schöpfer
wille, ‒ diesen Tagen, die wie Hammer
schläge einer Hölle irrer Teufel auf die
arme Menschheit niederfallen, um in Bar
barenchaos, um in Unrathaufen zu ver‐
wandeln, was einst Geisteslicht im Siege
über Tierheitsdumpfheit auferbaute, wird
74 Das Buch der Liebe
erst ein Ende angesetzt, wenn die Gewalt
der Liebe dieses Ende bringt. ‒ ‒
.Der schwelende Brand, der heute seine
schwarzen Schwaden erstickenden Gift‐
rauches über Länder und Meere schickt, ist
nicht mit den Schlagwörter-Wasserfällen
großgebärdiger Sprecher zu löschen! ‒
.Das grüne Laub, das nun verschwelt,
wollte Sonnenwärme, ‒ doch da es keine
Sonne” fand in diesen Tagen, ward es in
seinem Sehnen nach Licht und Wärme
unterirdischer Feuerbrände Beute.
.Wohl dem, der hier nicht vor sich selbst
bekennen muß: ‒ „Auch ich war einst
mals einer derer, durch die der junge
Wald, der hier in einem Welt-Wald
brand vernichtet wird, um seine Son
nenwärme sich betrogen fühlte!”...
.Hier ist nicht zu „löschen” mehr, was
in sich selbst verglimmen muß; ‒ aber
man täusche sich nicht: ‒ ‒ die Sehn
75 Das Buch der Liebe
sucht nach Licht und Wärme wird auch
die Herzen derer nicht verlassen, die die‐
sem Brande nicht zum Opfer fallen, denn
ihr ward urgrundtiefer Wille Wecker,
und keine Macht der Erde wird verhindern,
daß sie sich erfüllt!
.Diese Sehnsucht verlangt nach strahlen‐
den „Sonnen”, die im Erwärmen und Leuch‐
ten nicht müde werden. ‒
.Sie wird zu unterscheiden wissen, und
alles ablehnen, was nicht aus der Liebe
strahlt!
.Was jetzt verschwelt, ist gewiß ver
loren, und mit ihm teures Gut, das einst
der Menschheit eigen war, allein das wieder
neu ersprossende junge Grün der Erde wird
nicht ein zweites Mal vernichtet werden,
wird nicht aufs neue unter-irdischen
Feuers lüstern erlangter, leckerer Fraß!
.Auch hier sind wahrlich hohe Hüter
am Werk, auch wenn sie nicht verhindern
76 Das Buch der Liebe
durften, daß Vernichtung fand, was in
sich selbst den Willen zur Vernichtung
trug, ohne darum zu wissen...
.Die hohen Hüter, die hier wirken, wer‐
den weislich jedes neue junge Grün vor der
Vernichtung Feuer zu bewahren wissen,
und werden, als des Menschen wahre Freunde,
voll Verstehen und voll Rat, die knochen‐
klappernden Gerippe, die gleich ungeheuren
Fledermäusen, in faltenweiten Mänteln vor
der Sonne schwirren, mitleiderfüllt zurück
in ihre Gräber senden, so daß das Licht
der Ur-Sonne ewigen Geistes endlich alle
Wärme seiner Strahlen allem Leben
spenden kann. ‒
.Aus dieser Ursonne nur strömt alle
Strahlungskraft den einzelnen geistigen
„Sonnen” zu, die diese Erdenmenschheit
braucht, wie die Schwärme der Wandelsterne
des Firmamentes ihre Myriaden Sonnen‐
feuer brauchen, um in geordneter Bahn
sich selbst zu erhalten...
77 Das Buch der Liebe
.Nicht vor dem „Untergang” des Abend‐
landes ist die Menschheit angelangt, wie
manche wähnen, sondern sein späterer höch‐
ster Aufstieg fordert die Opfer, die der
wache Mensch des Abendlandes heute zu
beklagen hat!!!
.Wer Ohren hat zu hören, ‒ höre!”
— — — — — — — — — — — — —
.Die Zeichen dieser Zeit sind wahrlich
anders zu deuten, als klügelnde Skepsis,
akrobatengleich mit Gedankenkugeln jon‐
glierend und der Menge Beifall heischend,
sich erträumen läßt!!!
.Hier ist „Geduld und Glaube der Heili‐
gen” vonnöten!
.Nicht solcher, die sich „heilig” dünken,
weil sie nach Art der schleichenden Ge‐
würme sich aus jeder Schuldverstrickung
wanden, sondern jener, wahrhaft das Heil
erahnenden Erdenhaften, die noch zu
aller Zeit das „Salz der Erde” waren! ‒
78 Das Buch der Liebe
.Schon unsere Enkel werden diese Tage
der Wahnverblendung, die sich ihrem
Ende zuneigen, mag auch das endliche
Ende noch gar fern erscheinen, nicht mehr
kennen.
.Sie werden kaum in sich noch ein Ver
stehen finden für den Krankheitszustand
der Gehirne, die heute toller Tänze Tanz‐
plan sind, weil sie in der Verstrickung
dunkler Mächte, denen sie sich selbst er‐
gaben, der Torheit Tür und Tore offen
ließen, als sei „der Mensch” nur das arme
Erdentier, ‒ viel ärmer noch, als alle
andern Tiere dieser Erde, ‒ als das er sich
empfindet, solange er nicht weiß, daß er
des Geistesmenschen Pforte zur Erlösung
darstellt.
.Erst dieses Wissen aber bringt Gewiß‐
heit, daß ihm die höchste Form der Liebe
allein die unerhörte Macht verleihen kann,
dieser Erde Angesicht derart zu verwan
deln, daß alle Trübsal, die der Mensch auf
79 Das Buch der Liebe
Erden fand, ‒ daß Krankheit, Not und
Jammer von der Erde schwinden muß,
wie jene Ungeheuer schwanden, die einst
das frühe Menschentier erst floh und dann
besiegen lernte! ‒ ‒
.Wir alle, die wir heute dieser dunklen
Tage Todesschatten über unsern Häuptern
lasten fühlen, sind die Totengräber einer
alten Zeit und sind zugleich die Zeugen
den des neuen Lebens, das diese Erde
einst be-leben soll! ‒ ‒ ‒
.Von uns allen wird alle Menschheit, die
noch dieser Erdball tragen soll, Verant
wortung verlangen, wenn jenes kosmische:
Es ist vollbracht!”
durch alle jene Sphären tönen wird, die Zu‐
fluchtsort dem Geistesmenschen wurden,
nachdem er selbst sich einstens aus der
Gottheit losgelöst, und ungeahntem
Schicksal sich als edles Treibgut über‐
geben hatte! ‒
80 Das Buch der Liebe
.Wir alle sind es, die der Erde Antlitz
wandeln werden, oder seiner Wandlung
Hemmung bleiben, wenngleich erst spä
tere Geschlechter Frucht erernten können,
die der Saat entspricht, die wir der Erde
anvertrauten! ‒ ‒
.Doch glaube nicht, daß wir nicht selbst
schon unsrer Tat Erfüllung sehen könn‐
ten, auch wenn nur Blühen uns erst wer‐
den mag, wo Spätere die Früchte ernten
werden!
.Je eher wir uns selbst zu wacher Tat
ermannen, desto gewisser werden wir aus
dieser Tat, die eine Tat des Herzens ist,
die Blütenknospen sich erschließen sehen,
die einst den Nachgeborenen zu Früchten
werden!
.Ein unerfaßlich Großes hat das Schick‐
sal unserm Willen anvertraut in diesen
ernsten Tagen, und ‒ wahrlich: „es ist
eine Lust, zu leben” in solcher Zeit, ‒
81 Das Buch der Liebe
für jeden, der seines Eigenlebens Wert
für alle Zukunft kommender Geschlechter,
in Wachheit und Verantwortung zu wer
ten weiß!
.Wo sind sie denn, die Toren, die
einst glaubten, ihrer Hirne Werk erhalte
ewigen Bestand!?! ‒
.Dahingeschwunden wie der letzte
Bettler, dessen Namen keine Kunde meldet,
erstirbt ihr Werk in einer neuen Zeit,
die sie, bei aller Trunkenheit des Wissens,
nicht erahnen konnten, die sie nicht kom‐
men sehen konnten, weil sie glaubten, ihres
Denkens Helle leuchte allen kommenden
Geschlechtern. ‒
.So sind auch heute unter uns noch gar
manche eitle Toren, die sich weise wähnen
und in der großen Geste weiser Wissender
ihr Wohlgefallen finden.
.Nicht alle wissen, daß sie täuschen, und
mancher glaubt, er sei der Wahrheit Die‐
82 Das Buch der Liebe
ner, ‒ jedoch gebar die Zeit in diesen
Tagen der Entwertung aller Werte allzu‐
viele, die kein „Gewissen” mehr zu hin‐
dern weiß, wo ihres Wähnens Wahn sie
selbst erfaßte, so daß sie Tausende durch
ihre Lehre ins Verderben ziehen, berauscht
durch ihre Macht, die Seelen zu ver
wirren, und eitelkeitumnebelt durch
die Zahl der Hörigen, die ihren Fahnen
folgen. ‒
.„Es werden aber falsche Gesalbte und
falsche Propheten kommen...”
.Achtet auf solche Zeichen der Zeit und
rettet euch selbst vor der Verstrickung in
teuflische Netze, aus denen nur selten einer
wieder entfliehen kann!
.So wie du dich keinem Quacksalber
anvertrauen wirst, wenn es um deines
Erdenleibes Leben geht, so darfst du dich
auch nicht jedem mit der Seele übergeben,
83 Das Buch der Liebe
der dir sagen mag, er wisse deiner Seele
Leben zu erhalten!
.Wenn du auch nur in wenigem dich
sicher fühlst, so trägst du doch in dir be‐
stimmt eine Sicherheit, Gefahr zu wittern,
die nie dich verlassen wird, sobald es dei
nes armen Erdenleibes Erhaltung gilt!
.Die gleiche Sicherheit besitzest du zwar
auch, wo es sich um deiner Seele Leben
handelt, doch da du deine Seele verlieren
kannst, ohne des Erdenleibes Leben ein‐
zubüßen, so achtest du kaum mehr der War‐
nungszeichen, die dir im Innern werden,
wenn der Seele Leben in Gefahr zu kom‐
men droht! ‒
.So wie jedoch, wenn du auch nur leid‐
lich urteilsfähig bist, in dir alsobald ein
Mißtrauen sich aufbäumt, falls dir in des
Leibes Not ein Unberufener sich naht,
so wirst du in gleicher Weise „Warnung”
fühlen, wird dir in deiner Seelennot ein
Lehrer sich erbieten, der selbst der Lehre
84 Das Buch der Liebe
wahrlich bedürftiger sein mag als du, der
ihn zu Hilfe rief, da du von keiner anderen
Hilfe wußtest! ‒ ‒
.Du bist darum mitnichten etwa ent
schuldigt, wenn du dich irrenden Leh‐
rern anvertraust, denn dir gab Urnatur in
deinem Gefühlsvermögen die Kraft der
Unterscheidung, und es ist nur deine
eigene Lässigkeit, wenn du nicht alsbald
erkennst, daß du einer „Seelenführung
dich ergabst, die selbst zu-recht geführt zu
werden nötig hätte! ‒
.Du mußt in diesen ernsten Tagen dop‐
pelt Vorsicht walten lassen, da du nun
durch meine Worte weißt, daß ungezählte
kommende Geschlechter durch dich ge
fördert, aber auch ‒ gehindert werden
können!
.Das Urfeuer der Liebe will in dir
Leben werden, damit sein Leben, aus dir
weiterzeugend, neues Leben einst gestalte,
85 Das Buch der Liebe
‒ hier, in den Herzen der auf dieser
Erde sich ihre ewige Form erkämpfenden
Menschen.
.Wenn du nicht selbst aus der Liebe
zu Leben wurdest, wie willst du neuen
Lebens Ursprung werden? ‒
.Darum mußte ich dir, soweit das Worte
vermögen, hier zeigen, was die Liebe ist, ‒
die Liebe, von der alte Kunde redet, die
dir von Liebenden im höchsten göttlichen
Sinne, zu berichten weiß. ‒
.Darum mußte ich dir jenes „größten
Liebenden” Leben enthüllen, der einst die
gewaltigste Tat der Liebe zu vollbringen
wußte.
.In seiner Liebe letzter Vollendung löste
siegessicher er jene starre Fessel, die, seit der
Bindung durch die allererste Einkehr gei
stesmenschlicher Gestaltung in die Form
des Erdentieres, alles Menschsein hier auf
Erden eisenstark umwunden hielt! ‒
86 Das Buch der Liebe
.Er aber gab auch die Lehre:
.Wer mein Schüler sein will, der
folge mir nach.” ‒
.Lächerlich töricht sind jene Träumer,
die da glauben, sie brauchten nur in äußeren
Allüren dieses Urgewaltigen vermeint‐
liche Gebärde nachzuahmen, um sich als
seine Jünger, seine „Schüler”, wie die Schrift
in Wahrheit sagt, von ihm erkannt zu wissen.
.Würden sie ahnen, wer er war und ist,
dann würden sie wahrhaftig ihre Torheit
fahren lassen. ‒
.Du aber, zu dem ich hier rede, ‒ sei du
nicht auch eines solchen Wahns gehorsamer
Höriger!
.Du bist nun wahrlich genugsam belehrt!
.Wenn du des Zimmermanns, der des
Urlichts Leuchtender war, wie der, dem
diese Worte Formung danken, dich wahr‐
haft würdig willst erweisen, dann sei bereit,
87 Das Buch der Liebe
die hohe Liebe in dir zu erwecken, die
dich verzehren muß, will sie dich selbst
zu einem neuen Sein verwandeln!
.Dann erst wirst du wahrhaft sein
Schüler, sein Jünger sein!
.Dann erst wird er dich in seiner Liebe
wissen, so wie er sich selbst in seines
Vaters” Liebe wußte! ‒
.Dann erst wird er dich als einen derer
anerkennen können, die der „Vater” liebt,
weil sie in des Vaters „Sohn” Vollendung
fanden...
.Dann erst wird Jehoschuah, der Zim
mermann aus Nazareth, von dem die alte
Kunde dir erzählt, und der dir entfremdet
ward durch alter Göttersagen Hörige, ‒ die
ihn der Menschheit viel zu nahe gewahr‐
ten, so daß sie ihn mit ihrem Götterwahn
drapierten, ‒ ‒ dann erst wird er dir nahe
kommen, und dann erst wirst du in Wahr
heit sagen dürfen:
88 Das Buch der Liebe
.Ich weiß, daß mein Erlöser lebt!”
‒ ‒ des Menschen-„Sohn”, der einst den
Seinen bestätigen durfte, daß er bei ihnen
bleibe „bis ans Ende der Welt”!
— — — — — — — — — — — — —
.Aus der Urfeuerkraft der Liebe allein
ist es möglich, ein solches Versprechen
auch einzuhalten! ‒
.Wohl ist es dem in sich Vollendeten
ein unbeschreiblich hartes, dauernd dar‐
gebrachtes Opfer, sich nach dem Tode des
Erdenkörpers in einem Zustande zu erhal‐
ten, in dem er irdisch-eingeengtem mensch‐
lichem Erfühlen noch erreichbar bleibt...
.Aber man darf sich unter diesem, mir
und den mir Artgemeinsamen wohlbekann‐
ten Verharren im Fühlfelde erdenmensch‐
licher Bewußtseinsreichweite gewiß nicht
ein mysteriös umwittertes „Wunder” vor‐
zustellen suchen!
89 Das Buch der Liebe
.Es handelt sich um nichts anderes, als
um eine geistgesetzlich genau begründete Be
wußtseinsfixierung, ‒ weit über die Ver‐
brauchsdauer des irdischen Menschenkörpers
hinaus, ‒ bis zum letzten Vibrieren seeli‐
schen Suchens im Bereiche dieses Planeten.
.Daß hier kein geringes Opfer gebracht
wird, ergibt sich schon aus der Notwendig‐
keit, in einem selbstgestalteten, zwar erden‐
sinnlich unwahrnehmbaren, und doch der
unsichtbaren physischen Welt noch ein‐
geordneten Körper ‒ als dem Bewußtseins‐
träger ‒ zu verbleiben...
.Solcher Bewußtseinsfixierung aber ist zu‐
gleich naturgeboten: alles seelische Leid
der ganzen Menschheit mitempfinden zu
müssen, und nur die Urfeuerkraft der Liebe
vermag es, solches Miterleiden allen mensch‐
lichen Leides dem selbstgebundenen Bewußt‐
sein des Leuchtenden ertragbar zu machen,
bis auch der letzte seiner irdischen Menschen‐
brüder einging ins Licht
90 Das Buch der Liebe
ERLÖSUNGSLICHT
.Die in der heutigen Zeit diese Worte
lesen, sind sehr verschiedener Glaubens
lehren Kinder, und schwer sind ihre Herzen
jenem einen Hochziel zuzulenken, aus
dem der Liebe lösend lichte Strahlen ewig
sich ergießen in die Welt der Seelen, ‒ be
freiend was gebunden war, um dann zu‐
rückzukehren in den Urborn aller Liebe,
der Liebe spendet, da er selbst nur Liebe
ist. ‒
.So mancher selbstgerechte „Gläubige
mag sich finden, der, lächelnd, solcher Lehre
sich hoch enthoben dünkt, in seiner hyp‐
notischen Selbstberuhigung, daß nur sein
Herdenglaube allein „der wahre Glaube”
sei...
.Und andere, die längst kein Glaubens‐
band mehr bindet, werden gegen blinden
Argwohn sich zu wehren haben, als sei die
93 Das Buch der Liebe
Lehre, die mein Wort hier kündet, nur Auf
erstehung alten Menschheits-Wähnens,
umgeformt in neuen Glaubenswahn, der, ‒
wenn es also wäre, ‒ gewiß nur neues
Dunkel um die Seelen breiten würde.
.Ich aber gebe hier dem einen wie dem
andern nur die Be-gründung seines eige
nen Erkennens, ‒ denn letzter Grund
fehlt allem Glauben, der seiner Lehren
tiefste Fundamente nicht erreicht, und
alles Wissen ist nur dann gegründet,
wenn es in Felsentiefen ankert, die der
Ewigkeit ihr Dasein danken...
.Erlösungslicht ist jene hohe Liebe,
die mein Wort in dir entzünden will, ob du
nun gläubig fromm nach alter Satzung
leben magst, oder selbst dir deine Satzung
setzest! ‒
.Und wenn von jenem „großen Lieben
den” ich zeuge, den eine enge Glaubens‐
meinung sich allein erstanden glaubt, trotz‐
94 Das Buch der Liebe
dem in ihren Taten oft genug sein Bild als
Schild des Hasses diente, so ist mein Zeug‐
nis seines eigenen Willens Werk, da er in
letzter Liebestat vor seinem Erdentode alle
Menschheit weihte, und allen zum „Er‐
löser” ward aus einer Bindung, die nur ein
Liebender zu lösen wußte, der alle, die
auf Erden in der Liebe lebten, übertraf,
an Liebesfeuerkraftentfaltung! ‒
.Er, der sich selbst in Lichtvollendung
einst der ganzen Menschheit gab, nach‐
dem er vorher nur dem Volke, dem sein
Erdenleib entstammte, die Erfüllung brin‐
gen wollte, ist allen, die ihn rufen, nah,
und läßt sich finden, wenn du ihn in seiner
Liebe suchst, ‒ magst du die alten For
men üben, die so manche hohe Weisheit
in sich bergen, der du wahrlich, wenn dein
Geist sie dir enthüllt, Verehrung zollen
darfst, ‒ ‒ magst du, nach deiner Artung,
solchen Formen fremd dich fühlen und
nur aus deines Herzens Grund in deiner
Weise ihn zu rufen wissen! ‒
95 Das Buch der Liebe
.Mit denen, deren Lichtkreis er ver
eint war, ehe ihm der Erde Leib einst
wurde, lebt er im geistigen Bereich der
Erde in aller Wirklichkeit der geistigen
Gestaltung, die ihm ward, als seine Seele
sich zurück in seines „Vaters” Hände gab!
— — — — — — — — — — — — —
.Ich sagte dir auch schon, soweit es sag‐
bar wird, in einem anderen Buche, daß
dieser „Vateraller Leuchtenden des Ur‐
lichts, der ewig aus dem Urwort licht‐
gezeugte Geistmensch ist, selbst „Wort”
im „Wort” und „Gott bei Gott” ‒ der
große „Alte”, der im „Anfang” ist, ‒
der selbst des Urworts erste Selbstgestal
tung darstellt, der „Mensch der Ewig
keitin seiner ersten Zeugung ewig
lich verharrend.
.In alter Lehre wird er als der höchste
aller „Engel” aufgefaßt, ‒ die „Krone
jener Hierarchie der Geister, die in den
96 Das Buch der Liebe
Leuchtenden des Urlichts hier auf Erden
sich die „Brückenbauer” schuf für jene
„große Brücke”, die den Erdenmenschen
aus dem Reich des Tieres leitet, so daß er
seine Geistesheimat wiederfinden kann,
der er sich vor Aeonen einst entwand! ‒
.In jedem Leuchtenden des Urlichts ist
dieser „Vater”, ewig weiterzeugend seinen
Sohn”, den Leuchtenden, ‒ in Wahrheit
eines Wesens mit dessen Lichtnatur, der
dieser Erde Leib nur äußeres Vehikel ist,
um erdenhaft zu wirken, was der Erde For
mung braucht, soll es im Erdenmenschen‐
leben in Erscheinung treten! ‒
.So konnte in Wahrheit der Meister von
Nazareth seinen Schülern sagen: „Wer mich
sieht, der sieht auch den Vater”, ‒ und
Niemand kommt zum 'Vater' denn
durch mich”: ‒ durch das, was in mir
Leben ist, als des „Vaters” geistgezeugter
„Sohn”...
.Hilfreiche Helfer sind dir so in dein
Erdendasein gegeben, ‒ stets deinem Geiste
97 Das Buch der Liebe
nah, wenn du sie geistig in der Tat zu
„rufen” weißt! ‒ ‒
.„Nicht wer: Herr, Herr! zu mir sagt,
wird in das Reich der Himmel aufgenom‐
men, sondern wer den Willen meines
Vaters tut,” ‒ wer diesen Willen in sich
fühlt, und ihn in seiner Tat erfüllt! ‒
.Dein bloßer Wunsch wird dir nichts
nützen; ‒ du wirst durch dein ganzes Ver
halten in deinem Leben, durch dein Tun
und Wirken „rufen” müssen, und mancher
arme Unbeachtete, der nur in Treue seiner
Hände Werk verrichtete, hat oftmals besser
„gerufen” als so mancher Erhabene, der
alle tiefen Schriften kannte und sich längst
für würdig hielt, daß ihm ein Helfer nahen
„müsse”, damit er so vor sich und anderen
noch mehr „Erhabenheit” erhalte! ‒ ‒
.Des Menschen Verstand hat ein Fern
rohr ersonnen, in dem ein System ver‐
schiedener Gläser und Spiegel verborgen ist,
98 Das Buch der Liebe
die allesamt in ihrer weisen Anordnung
bewirken, daß weiteste Weite dem Auge
ganz nahe und körperhaft erscheint.
.Wenn du ein solches Fernrohr benützen
willst, dann wirst du durch die kleine Linse
allein zu blicken haben, die der Verfertiger
dafür bestimmte, daß sie zunächst deinem
Auge sei.
.Du wirst dann die Strahlen des Lichtes
der Außenwelt in solcher Art erhalten,
daß das Ferne dir nahe kommt, und du
unterscheiden kannst, was dein bloßes Auge
niemals unterschieden hätte.
.So auch kannst du im Geistigen allein
das Göttliche erfassen, wenn du dich zu‐
nächst an jene wendest, die ewiges Urlicht
selbst dazu bereitet hat, dir seine Strah‐
len zu vermitteln! ‒
.Du wirst dann in dem Leuchtenden nur
das Göttliche zu sehen bekommen, und
er selbst wird dabei verschwinden, so
99 Das Buch der Liebe
wie du ja auch, wenn du durch jenes Fern‐
rohr blickst, gewiß die Linse an sich nicht
siehst, sondern den Gegenstand der Ferne,
den du suchst. ‒
.So wie dir aber die Linse des Fernrohrs,
die deinem Auge am nächsten ist, für sich
allein gewiß nicht viel helfen könnte, wären
nicht in dem Fernrohr andere Gläser und
gewisse Spiegelsysteme enthalten, so würde
auch der Leuchtende dir nicht helfen
können, wäre nicht jene hohe Hierarchie
des Geistes noch zwischen ihm und dem
innersten Ursein Gottes, das es zu fassen
gilt! ‒
.Du blickst gleichsam durch alle Reiche
dieser geistigen Hierarchie hindurch in die
innerste Gottheit hinein, wenn dir ein
Leuchtender des Urlichts sich aus seinem
Geistigen heraus offenbart. ‒
.In diesem Bilde kann dir manches Wort
des Meisters aus Nazareth verstehbarer wer‐
den und du wirst auch so unterscheiden
100 Das Buch der Liebe
lernen, was er von sich aus, als Erden
mensch seiner Zeit, einst sprach, ‒ oder
wo er in anderen Momenten völlig ver
schwindet und dich nur das Innerste
der Gottheit, das Ur-Wort hören lassen
will, ‒ ‒ denn was in dem obigen Bilde
nur vom Sehen gilt, kannst du dir leicht
auch aufs Hören übertragen denken...
.Und nun ein anderes Bild, um dir
Anderes zu klären:
.So wie aus einem Brunnen mit vielen
Ausflußröhren stets aus jeder Röhre das
gleichgeartete Wasser der einen Quelle
quillt, die er umfaßt, wie aber die eine
Röhre, durch ihre Form bedingt, dem
Wasserstrahl eine andere Formung mit‐
geben kann, als die andere, die wieder an
dere Form erteilt aus ihrer Eigenformung
her, so wird dir auch jeder Einzelne die‐
ser Lichtgemeinschaft, aus der ich rede,
stets die gleiche Weisheit, die gleiche
101 Das Buch der Liebe
Lehre geben, auch wenn sie äußerlich, der
Eigenart des Lehrenden entsprechend, sehr
verschiedene Formung zeigen mag.
.Dies zu beachten wird dir sehr nötig
sein, damit du auch in der verschieden
sten äußeren Formung stets die eine ewige
Wahrheit finden lernst, die sich in jede
Eigenart des Formers fügen kann, und
dennoch niemals ihre Art verändert. ‒ ‒
.So wird dir denn in aller Lehre, der ich
Wort verleihen darf, gewiß nichts anderes
zuteil, als was der Lehre des Jehoschuah,
des „großen Liebenden”, entströmte, und
du wirst hier verschiedene Art zu lehren, aus
gleicher Quelle Speisung finden sehen...
.Ja du wirst dieses „großen Liebenden
gewaltig Wort, so wie es dir, selbst noch
aus der Verschüttung, leuchtet, erst wahr‐
haft deuten lernen, wenn du meine Lehre
kennst, und meine Lehre wirst du in den
letzten Tiefen erst verstehen, wenn seine
Art dir so erkennbar wurde, wie du sie
102 Das Buch der Liebe
erkennen mußt, willst du sein Bild dir
nicht durch alter Zeiten Zutat so entstellen
lassen, daß wenig übrigbleibt, was noch an
ihn, so wie er war und ist, erinnert! ‒
.Es ist dem Menschen dieser Zeit, als
der ich heute hier zu wirken habe, wahr‐
lich schwer, der Wahrheit eine Gasse zu
bereiten und tausendjährige Verdunke
lung zu lichten, ‒ doch schwerer wird es
mir wahrhaftig, alle äußere schützende Um‐
hüllung zu lösen und meines Geistes
lebens Sein in nackter Nüchternheit den
Geierblicken darzubieten, die unabwendbar
sind, wo Wahrheit sich enthüllt auf dieser
Erde, bevor die hohe Liebe alle Seelen in
wahrer Liebeslichtglut hell erstrahlen
läßt. ‒ ‒
.Die allerbitterste und schwerste Pflicht
ward hier erfüllt, und keiner kann die
Kämpfe ahnen, in denen Innerstes hier
mit dem Außenmenschen, als der ich hier
103 Das Buch der Liebe
auf Erden lebe, ringen mußte, um das Be‐
kenntnis zu sich selbst ihm abzuzwingen. ‒
.Gewiß wäre die Lehre, die durch mich
der Menschheit werden sollte, in keinem
Punkte weniger der Wahrheit Zeugnis,
wenn ich von mir, als einem Zugehöri
gen der geistigen Vieleinheit, aus der auch
einst der „große Liebende” die Lehre
nahm, mit keinem Wort gesprochen hätte.
.Doch heischte hier Notwendigkeit Er‐
füllung, und wahrlich wäre auch ein steter
Eiertanz und ein Versteckenspiel entstanden,
hätte ich sagen wollen, was ich sagen mußte,
ohne dabei der eigenen Urteilsmöglich
keit, ‒ des urgewissen Wissens aus mir
selbst, ‒ als der gegebenen Vorbedingung
meiner Lehre zu erwähnen.
.Es wird zu viel des Dunkels, das die
Seelen lange irrte, durch dieses Bekennt‐
nis licht und klar, als daß hier meinem
Wunsche Entsprechung hätte werden dürfen,
104 Das Buch der Liebe
sorglichst meiner eigenen Art Geheimnis zu
verbergen.
.So mußte ich hier innerster Verpflich‐
tung dienen, die mir nicht abgenommen
werden konnte.
.Jedoch nicht allen meinen Brüdern ist
solche Selbsteröffnung Pflicht, und nur wo
Liebe es erheischt, unzähligen Mitmen‐
schen dadurch zu dienen, wird solche Pflicht
dem Bruder auferlegt.
.Wer würde denn auch, und sei es um
alle Schätze der Erde, sich jemals bereit fin‐
den lassen, dieserart sein Allerinnerstes dar‐
zubringen, ohne härteste, unabänderliche
Geistespflicht!? ‒
.Was ich in meiner Schriften Wort der
Welt zu geben habe, wird noch fernsten
Zeiten leuchten, da längst in sich erschöpft
sein wird, was heute sich gefährdet sieht
durch solche Lehre, oder aber sich im Rechte
105 Das Buch der Liebe
glaubt, sich selbst ihren Forderungen ent‐
ziehen zu dürfen!
.Wie jener „große Liebende” so muß
auch ich bekennen: ‒ ich lehre wahrlich
nicht „aus mir selbst”, ‒ aus meiner
irdischen Erschauung, sondern was der
Vater”, dem ich in der Liebe diene, mir
übergeben hat, das gebe ich euch! ‒
.Was ich lehre, ist nur in Worte gefaßte
Darstellung ewigen und ewiggültigen Ge‐
schehens, das mir jederzeit, sobald ich mich
in ihm bewußt finden will, gegenwärtig ist...
.Die Fähigkeit, das einzige Urgewisse
solcherart zu erfassen, ist das heilige Erb‐
gut aller derer, die des „Vaters” licht‐
gezeugte „Söhne” sind!
.So lehre ich euch aus der Fülle des
Wortes”, wie mich der „Vater” lehren
heißt und verkünde euch Erlösung in der
höchsten Liebe!
.Wohl denen, die meine Lehre nicht nur
lesen, sondern sie in sich zur Auswir
106 Das Buch der Liebe
kung gelangen lassen, so daß sie ihres
Lebens Sinn erhellen und ihre Tat be
fruchten kann!
.Sie werden aus Leben und geistiger Tat
alsbald auch in die Liebe gelangen, und
in der Liebe entbrannt, dereinst zu ewigem
Leuchten!
.Dieses Leuchten aber aus dem Urlicht,
ist dein unvergängliches Ziel, und damit
du es dereinst erreichen wirst, suche ich
allen Schutt, der dich noch anfüllt und im
Dunkel hält, aus deinem Innern zu ent‐
fernen...
.Glaube mir, oder glaube mir nicht, ‒
nur handle nach meinen Worten und ver
halte dich folgerichtig ihrem Sinne
gemäß, damit du in dir selbst zu geistiger
Erfahrung kommst und dann nicht mehr
abhängig bist von der Bestätigung oder
dem Zweifel deiner selbstgesponnenen Ge‐
danken!
107 Das Buch der Liebe
.Es ist wahrhaftig nicht Überheblichkeit,
wenn ich dir sagen muß, daß mir so wenig
an deiner Zustimmung liegt...
.Wie du jetzt, ‒ bevor du zu geistiger
Erfahrung kamst, ‒ über die hier durch
mich vermittelte Lehre urteilen magst, hat
nur insofern Bedeutung, als dein Urteil
dich zum Handeln nach meinen Anweisun‐
gen bewegen, aber auch ‒ davon abhalten
kann.
.Der Wahrheit meiner Worte aber kann
dein Urteil weder etwas zufügen, noch etwas
nehmen.
.Nicht dein Verstandesurteil, sondern nur
deine Liebe kann diese Wahrheit dir er‐
reichbar werden lassen! ‒
108 Das Buch der Liebe
DIE SCHÖPFERKRAFT
DER LIEBE
.In urgewaltigem Drang offenbart sich
Liebe schon in ihrer irdisch niederen
Form, und hier schon zeigt sie sich als
Schöpferkraft, so daß älteste Kulte be‐
reits in dieser niederen Form der Liebe
letztes Geheimnis zu finden hofften. ‒
.Bis auf die heutige Zeit sind solche Kul‐
te erhalten, und irreleitende Lehren haben
das verderblichste Wähnen asiatischer Ge‐
heimsekten auf düsteren Wegen neuerdings
aufgegriffen, damit es auch im Abendlande
Verbreitung fände. Leider hat es weitere
Verbreitung gefunden, als die „aufgeklärte”
Öffentlichkeit der westlichen Weltstädte heute
noch ahnt! ‒
.Verhängnisvolle Zerstörungskräfte,
ausgesandt aus nachtschwarzen Tempelgrüf‐
ten teuflisch fanatisierter Asiaten, suchen
so ihre Opfer in der weißen Rasse!
111 Das Buch der Liebe
.Das törichte Verlangen nach „geheimen
Kräften” und verborgener Macht über die
nicht in gleicher Art „eingeweihten” Neben‐
menschen, ist dabei der beste Kuppler.
.Die armen Betörten aber fühlen weder,
daß sie an unsichtbaren Gängelbanden
hängen, noch ahnen sie, daß sie ihr Tun
einem Ziele zutreibt, das sie wahrhaftig
nicht erstreben möchten, würden sie es
kennen.
.Sie glauben der Lösung des Rätsels
aller Rätsel auf der Spur zu sein, und
lassen sich von selbstbetrogenen „Adepten”
sagen, auf diesem Wege werde göttliche
Freiheit winken, während sie nur der Schar
der höllischen „Hunde des Abgrundes
harmlos entgegenlaufen, denen schon die
Lefzen triefen vor Gier, ihre Seelen zerreißen
zu können, so wie sie jene bereits zerrissen
haben, die diesen Arglosen heute als macht‐
erfüllte Meister ihres teuflisch verwirrten
Glaubens dünken. ‒
112 Das Buch der Liebe
.Wohl waren Phallus und Yoni seit ur‐
alten Zeiten heilige Symbole, und beide
Gegenpole bilden der tiefsten Mysterien hei‐
lige Anker im Erdenleben, doch ‒ wer hier
suchen möchte, bevor man ihn sucht, der
hüte sich wohl, daß er nicht die Wirkungs‐
region verwechsle, und statt der „heiligen
Anker”: schlüpfrige Schlangen aus der
Tiefe hole!
.Es gibt wahrlich kein Gebiet okkulter
Kräfte, das so der Täuschung Raum ge‐
währt, wie der Bereich des Sexualmyste
riums!
—  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —
.Wehe denen, die hier zu finden glau‐
ben was sie suchen! ‒
.Sie werden im besten Fall ihre som
nambulen Kräfte wecken, die ihnen jedes
Trugbild gerne gewähren, das ihr Wähnen
nährt, bis sie, in solcher Verstrickung sich
wie die Götter” wähnend, zu spät, und
113 Das Buch der Liebe
unerlösbar geworden, einst in Verzweiflung
entdecken, daß sie der „Schlange des Pa
radieses” Gehör gegeben hatten. ‒
.Wer auf diesen Wegen sich weiß, der
reiße sich eilends los von allem, was
ihn an diese Wege binden mag, denn die
Gefahr ist unnennbar groß! ‒
.Wer aber nicht alles, was ihm lieb war,
nötigenfalls verlassen kann um des „Him
melreichs” willen, der ist wahrhaftig des
„Reiches” nicht wert, und wird nicht hin‐
dern können, daß er hinausgeschleudert wird
in die äußerste Finsternis”, ‒ wenn
nicht zu dauernder Vernichtung, so doch
zu äonenlanger dumpfer Qual im Wissen
um die eigene Schuld!
.Alles, was hohe und oft dunkle Worte
von jenem Geheimnis sagen, das irdische
Zeugungskraft und ihre Organe umgibt,
wird erst dann in Wahrheit erfaßt, wenn
man weiß, daß die hier verborgenen Kräfte
sich in ihrer segenbringenden Form nur
114 Das Buch der Liebe
dem Vollendeten des Urlichts ergeben,
und nur als ungesuchte Folge der Vollen‐
dung!
.Allerdings verhält sich die dem wahr‐
haft Berufenen mögliche geistige Lösung die‐
ser Kräfte zu dem, was da in gewissen „eso‐
terischen” Zirkeln vorgeht, wie höchstent‐
wickelte Chemie zu dem absurden Treiben
wahnwitziger Sudelköche. ‒
.Wer nicht zu den geistig Vollendeten
gehört, die, ehe sie auf Erden geboren
wurden, höchste „Meisterschaft” erlangten,
der bleibe hier allem Suchen fern, denn
was er zu finden vermeint, wird er hier
niemals finden, und was er finden kann,
würde ihn nur zur Beute dunkler Ge
walten werden lassen, der seit der Urzeit
Tausende und Abertausende in die Netze
gerieten, oft noch für geraume Zeit in die‐
sem Erdenleben angestaunt als wahre „Adep‐
ten”, und ihren Vernichtern so als Köder
dienend für weitere Vernichtungsopfer! ‒
115 Das Buch der Liebe
.Ich brauche wohl kaum zu sagen, daß
ich hier alle geheimgehaltenen „Methoden”
kenne, die solche vermeintliche „Geistes‐
kräfte” entfesseln können.
.Ich kenne jedoch auch das Schicksal
derer, die sie entfesselt haben, und darum
wird mir die Pflicht der Warnung, ‒ für
alle, die sich warnen lassen wollen. ‒ ‒
.Wer Ohren hat zu hören, der höre!”
.Die es angeht, werden kaum den Vor‐
wurf erheben dürfen, ich hätte nicht deut
lich genug bezeichnet, was ich lieber nicht
deutlicher noch bezeichnen will. ‒
.Euch allen aber, die ihr nach Licht und
Erleuchtung sucht, und nicht euch trü‐
gerischen Täuschungskräften übergeben
möchtet, denen nichts anderes zugänglich
wird, als was in eurer Körperzellen
Ahnenreihe aufgespeichert wurde, ‒
euch allen will ich hier der Liebe Schöpfer
116 Das Buch der Liebe
kräfte am Werke zeigen, so wie sie euch
zuteil werden können ohne jegliche Gefahr:
‒ in jener hohen „himmlischen” Bekundung
ewiger Liebe, die lebendes Licht in euch
gießt und leuchtendes Sonnenfeuer,
gleichwie sie in „irdischer” niederer Form
nur den Brand der Sinne entfacht, um eure
Art zu erhalten und euch ahnen zu las‐
sen in dieser Glut, daß sie auch wahrlich
Höheres vermag. ‒ ‒
.Auch in der niederen Form der Liebe
ist wahrhaft Göttliches zu finden, für alle,
die bereits erkannten, daß diese und die
höchste Form der Liebe eines Wesens
sind und nur in ihrer Wirkungsart ver‐
schieden...
.„Okkulte Kräfte” werden allerdings in
der „irdischen” Liebe nicht von solchen
gesucht, ‒ wohl aber können sie in ihr,
wenn seelisches Empfinden leibliche Ver‐
einung überhöht, die ersten Ahnungs
schauer finden, die sie empor zu höchster
117 Das Buch der Liebe
Form der Liebe leiten, ‒ dorthin, wo sie
himmlisch” wird, da sich ihr Wirken über
dieses Erdenleben hoch hinauferhebt, über
die fernsten Sterne hoch empor, bis in
das reine Lichtreich ewiger Gestaltung, das
nur denen sich erschließt, die „reinen Her
zens” sind.
— — — — — — — — — — — — —
.Doch muß dir nicht auf Erden „irdi
sche” Liebe werden, um zu der höchsten
„himmlischen” Form der gleichen Kraft
zu gelangen!
.Wohl sollst du gewiß die „irdische
Form nicht fliehen, wenn sie dir nahen will
in seelischer Überhöhung, ‒ in wahr‐
haft heilig gehaltener Ehe, ‒ doch wenn
du sie nur als bloße Befriedigung leibli
chen Begehrens finden könntest, dann rate
auch ich dir zur Enthaltung, obwohl ich
wahrhaftig weit, weit von jenem Wahn mich
weiß, als sei Enthaltung von „irdischer”
118 Das Buch der Liebe
Liebe der geforderte Preis für höchste see‐
lische Entfaltung. ‒
.Lieber aber noch sollst du mit wachem
Willen auf eine Erdenglückesmöglich
keit verzichten, als daß du in tierhafter
Brunst das heilige Feuer entweihst. ‒ ‒
.Die höchste, „himmlische” Form der
Liebe kann sich dir enthüllen, selbst in
deinem nüchternsten Tagewerk, und gar
mancher saß schon am Webstuhl oder ging
hinter dem Pfluge her, dem sie in all seiner
Einfalt zu eigen ward, während andere sie
auf hohen Kanzeln verkünden konnten
ihr Leben lang, ohne sie jemals in sich
selbst zu finden. ‒ ‒
.Selbst dort, wo du wahrhaftig nur in
Mühsal werkeltäglich Tun zu treiben
glaubst, kann sie in dir sich schöpferisch
entfalten...
.Weit stärker noch empfindet sie wohl ein
jeder am Werke, der sich zu schöpferischem
119 Das Buch der Liebe
Tun berufen weiß: ‒ der selbst gestaltend
formt, wozu der Geist ihn treibt.
.Kein großes Werk echter Kunst ist hier
auf Erden je entstanden, ohne die Schöpfer
kraft der Liebe, die den Formenden er‐
füllte!
.Doch wäre es wahrlich ein enger Irrtum,
wollte der Künstler allein sich solcherart
begnadet wähnen!
.Es gibt gar vieles Tun in diesem Erden‐
leben, bei dem in anderer Art, auf weniger
sichtbare Weise, der Liebe Schöpferkraft
den Wirkenden erfüllen muß, soll seines
Lebens Werk die höchste Weihe tragen!
.So manches Tun, das recht ferne dem
Bereich der hohen Kunst sich auswirkt,
kann in höherer Betrachtungsweise der glei
chen Urgesetze Offenbarung zeigen, und
den gleichen schöpferischen Drang ver‐
langen, der sich im Werk des Künstlers
nur in augenfälligerer Art bekundet.
120 Das Buch der Liebe
.Es gibt kein Erdenwirken für den Men‐
schen, das nicht der Liebe hohe Schöpfer
kraft aus seiner Enge Fessel lösen könnte!
.Doch, willst du die Schöpferkraft der
„himmlischen” Liebe in ihrer wundersam
sten Auswirkung erkennen, dann mußt du
selbst dich ihr als Material der Formung
überlassen!
.Vergeblich wirst du aus dir selbst
heraus versuchen, deine höchste Form
zu finden, solange du nicht willig durch der
Liebe Schöpferkraft dich wandeln lassen
willst!
.Vergeblich wirst du Tag um Tag an dir
zu feilen und zu schleifen suchen, solange
du die Schöpferkraft der „himmlischen
Form der Liebe hinderst, aus dir selbst
das Götterbild zu formen, das den Geist
in dir verkörpert zeigen soll!
.Aus deiner Formkraft Auswirkung al
lein kann es sich nie gestalten, so sehr
121 Das Buch der Liebe
auch die ewige Schöpferkraft der Liebe
deines Wirkens Kräfte, die sie selbst dir
gab, zu ihrem Werk bedarf! ‒
.Du sollst gewiß nicht müßig sein, und
deine Eigenkräfte können nur durch stete
Übung so erstarken, daß sie der hohen
Schöpferkraft der Liebe wahrhaft Werk
zeug werden bei der Formung deiner selbst;
‒ allein du wirst das Werkzeug nur der
geistigen Meisterschaft höchster Liebe an‐
vertrauen dürfen, willst du dich selbst in
höchster Form erstehen sehen!
— — — — — — — — — — — — —
.Auch dann noch wird, solange du auf
Erden leben magst, gar manches Äußere
der höchsten Formung sich nicht stetig
gen wollen und du wirst immerfort das
Werkzeug tauglich halten müssen, damit
die hohe Form, die dir verliehen ward, nicht
wieder schwindet, und nur ein Torso übrig
bleibt, der schmerzvoll ahnen läßt, was
hier einst schon gestaltet war...
122 Das Buch der Liebe
.Noch ward auf dieser Erde keiner je
vollendet durch die Schöpferkraft der
Liebe, dem nicht des Erdenlebens nimmer
ruhende Zerstörungskräfte seine hohe Form
bedrohten, und wenn du etwa glaubst, die
Leuchtenden des Urlichts seien hier wohl
aller Sorge ledig, ‒ so lasse dir sagen, daß
auch sie, wie jeder, der des Tieres Leben
seinem Ewigen zu einen sucht, sich stünd‐
lich wach erhalten müssen, wollen sie nicht
aus dem hohen Leuchten fallen, wie ein
Stern, der plötzlich in den Abgrund fährt,
und dort zerstäubt in seine Uratome!
.Es sind solche Fälle zwar überaus selten,
aber sie sind immerhin möglich.
.Im äußeren Leben wird aus einem sol‐
chen Gefallenen dann ein furchtbarer Fana
tiker der Bosheit: ‒ ein Mensch, der
„über Leichen geht”, und seinen größten
Selbstgenuß darin findet, alles allenthalben
zu zerstören, an dessen Aufbau er einst
beteiligt war...
123 Das Buch der Liebe
.Es bleibt daher immer ein unerhörtes
Wagnis für jeden im Geiste dazu Vorberei‐
teten, die Berufung zur Einung des Geist‐
menschen mit dem Menschentiere freiwillig
anzunehmen, denn sein Erdenweg ist, weit
mehr als der aller anderen Menschen, von
zahllosen unsichtbaren Gefahren umdroht.
.Du wirst daher auch in dem Leuchten
den des Urlichts einen Menschen-Bruder
sehen lernen müssen, der, ‒ wahrlich allem
Erdenmenschenfehlen nicht entrückt, ‒ zu
kämpfen hat wie du, um aus dem Kampf
des Lichtes mit der Finsternis hervorzugehen
als ein Sieger, wenn einst sein Erdenlauf
vollendet ist!
.Daß man dich lehrte, jenen hohen Leuch‐
tenden, den wir den „großen Liebenden
nennen, als sündelosen „Gott” und aller
Fähigkeit zur Schuld entrückt, zu werten,
‒ das hat dein Urteil tief umnachtet,
und dich dann weit zurückgeschleudert
in ein Reich der Ohnmacht und Erbärm
124 Das Buch der Liebe
lichkeit, in dem dich jene gerne halten
möchten, die nur so sich ihrer Macht er‐
freuen können, deiner Seele auferlegter
Sklavenarmut als die Herren ihres
Schicksals zu erscheinen. ‒
.Wohl sind nicht alle, die dir solche be‐
denkliche Lehre geben, ihres Tuns bewußt.
.Die meisten wähnen, ‒ dich zu deinem
Glücke, dich zu ewig wahrem Heil zu
führen.
.Sie ahnen heute kaum mehr die Ver
derblichkeit des bei ihrem Tun zutage‐
tretenden Menschenhochmutes, der durch
Jahrhunderte hindurch längst zur Gewohn‐
heit ward, und glauben wirklich deiner
Seele Heil gefährdet, sobald du ihren Leh‐
ren dich entziehen willst, weil dir in dei‐
nes Herzens tiefster Wahrheitsahnung end‐
lich doch der Irrtum solcher Lehre offenbar
geworden war. ‒
125 Das Buch der Liebe
.Ich bitte dich, wolle solche selbst um‐
nachtete Lehrer nicht den Irrtum ihrer
Lehre entgelten lassen, der sie in über‐
wiegender Zahl doch wirklich nur „guten
Glaubens” folgen!
.Sie würden dich gewiß auch auf besseren
Wegen gut zu leiten wissen, sobald sie
selbst die besseren Wege gefunden hätten,
denn sie erfüllt, ‒ weit häufiger als du
vielleicht glauben möchtest, ‒ doch auch
der hohe Wille, dir zu helfen! ‒
.Keiner aber, der wahrhaft Sorge trägt
um deine Seele und deiner Seele ewiges
Heil, wird dir verweigern, einen Weg zu
prüfen, den du ohne ihn gefunden hast,
denn längst kennt er ja die schwere Bürde
der Verantwortung, die ihm sein Amt
einst auferlegte! ‒
.Nur der, den Hochmut treibt, und der
da fürchtet, seine Macht durch deine Kennt‐
nis zu verlieren, wird dir „entrüstet” einen
Schwall von Worten hoch „von oben her”
126 Das Buch der Liebe
entgegenschleudern, ‒ wird dir tausend
Gründe” nennen, dich zur Rückkehr in
das abgesteckte Weideland des ihm so teuren
Pferches zu bewegen, ‒ nur den einen nicht,
der ihn im Tiefsten treibt: ‒ dich dort
zu halten wo du standest, bevor die Wahr
heit aus der Liebe dich erreichen konnte. ‒
.Ein solcherart um seine Macht Besorgter
ist denn auch wahrlich aller Schöpferkraft
der Liebe längst entrückt!
.Ihm darfst du nicht in seine Labyrinthe
folgen, die er und seinesgleichen klug
ersannen, für alle, die sich ihrer Macht
entwinden möchten, ‒ einer Macht, die
denen, die sie üben, köstlich dünkt, ‒
auch wenn sie selbst, die also „Mächtigen”,
in ihres Herzens Grund gar wohl erkennen,
daß ihre Macht nur in der Nichterkennt
nis ihrer Sklaven sich begründet. ‒ ‒
.Die solcher Machtlust Rausch einmal
genossen haben, sind fürderhin verloren
127 Das Buch der Liebe
für die Stimme der Wahrheit, sind ver
loren für der Wahrheit unerbittlich fixierte,
geistige Voraussetzungen...
.Doch sollst du auch den für die Wahr‐
heit Verlorenen gewiß nicht zürnen, wenn
du der Liebe Schöpferkraft zu deiner
eigenen, höchsten Formung dich überlassen
willst!
.Du würdest sonst ein Hemmnis schaf‐
fen, das deiner Eigenformung schwere Schä
digung bewirken müßte! ‒ ‒
.Du, den nach Licht und Leuchten
verlangt, ‒ ‒ lerne Barmherzigkeit üben
auch gegen jene, die dich am liebsten in
ihrem Dämmerdunkel halten möchten!
.Sie haben es meistens nicht selbst ver‐
schuldet, daß sie also werden mußten, wie
sie heute sind, ‒ und allzu schwer ist es für
viele, sich furchtlos Fesseln zu entwinden,
die oft für sie die einzige Errettung vor
128 Das Buch der Liebe
dem Sturz in noch weit tiefere Verfinste‐
rung bedeuten, für sie, die nur zu sehr in
allen Fasern fühlen, daß nur die feste Fes
sel ihnen Halt verleihen kann. ‒ ‒
.Für viele dieser blinden Blindenführer
ist auch die Angst vor dem Versiegen der
Ernährungsquelle Grund genug um dem er‐
kannten Irrtum weiterhin zu dienen, dem
sie nur zu gern entsagen würden, wüßten
sie, wovon sie fernerhin leben sollten, mit
denen, die bislang ihre Pfründe leidlich
ernährt.
.Der „Sünde” längstvergessener Geschlech‐
ter dargebrachte Opfer hat die Menschheit
heute nun in den Nachkommen zu beklagen,
und neue Schuld nur würde sie zur alten
häufen, wollte sie die armen Engumfesselten
entgelten lassen, daß sie der Vorzeit starre
Banden noch tragen! ‒
.Die noch die Arme regen können, wer‐
den jedoch mit einem Male, und ohne
129 Das Buch der Liebe
daß einer der Ihren fehlen würde bei dem
Werke, die Welt in Erstaunen setzen!
.Sie werden in aller Stille den Tag sich
bereiten, an dem sie ihre Banden sprengen
werden, ‒ ohne Altgeheiligtes zu verletzen!
.Sie werden „den Greuel der Verwüstung
an heiliger Stätte” nicht mehr dulden und
werden neu das Heiligtum errichten!
.Sie werden denen nicht mehr glauben,
die ihnen sagen: da und dort ist der „Ge‐
salbte”, und werden gar manche, die „in
seinem Namen” kamen, ihres Ruhmes ent‐
kleiden!
.Sie werden wahrlich nicht zerstören,
und dennoch wird das Abgelebte sich er
neuern, weil sie die alte Form erst mit
der Fülle allen Lebens, das sie fassen kann,
durchlichten werden! ‒ ‒
.Noch ist der Tag, an dem solches begin‐
nen wird, gewiß nicht zu bestimmen, ‒
130 Das Buch der Liebe
doch daß er dereinst erscheint, ist so sicher
wie das Erscheinen eines neuen Tages nach
dunkelschwangerer Nacht!
.Lasse deinen Lehrern Zeit zum Suchen,
und wenn sie gefunden haben, oder gar
gefunden wurden, werden sie dich ‒ oder
erst deiner Urenkel Kinder ‒ gewißlich
anders leiten als sie heute es vermögen. ‒
.Die besten unter ihnen bekennen selbst,
daß auch sie noch suchen, was sie einst
gefunden glaubten, als sie voll heiliger
Begeisterung sich zu der Bürde ihres Amtes
drängten. ‒
.Glaube auch nicht, du fändest je in ir‐
gendeiner anderen Gemeinschaft dieser Er‐
de, auch wenn sie tief sich in die ausgetra‐
genen Mäntel alter Mystik hüllen mag, und
dir mit vielbedeutsamer Gebärde kündet,
daß sie nur allein urgründiges „Geheim‐
nis” hüte, ‒ der lichten Wahrheit flecken‐
lose Spur!
131 Das Buch der Liebe
.Wohl sind auch da gar manche ernste
Sucher an der Arbeit, um in den Hierogly‐
phen alter Tempelüberreste jenes Wort zu
suchen, das sie einst erlösen könne.
.Aber auch hier ward längst schon allen
Kundigen bekannt, daß neue Wege sich er‐
öffnen müssen, soll die ernste Schar der
Sucher nicht in dunklen Krypten sich ver‐
lieren, die stets aufs neue endlich „Licht
verheißen und doch den mühsam Tastenden
am Ende seines Weges in Enttäuschung
stürzen lassen, es sei denn, daß die hohle
Geste eines „Wissenden” ihm schon genüge,
‒ daß er beirrt, und keinen Ausweg mehr
erlangend, sich wohlgefällt in einer „Würde”
Schein, ‒ des guten Glaubens der Betörten
froh, die ihn am Ziele wähnen...
.Hier sucht so mancher schon nach sehr
bedenklichem Ersatz, da man den Gold
schatz, den das Innerste des Heiligtums
verbirgt, ‒ des hehren Bauplans seiner
hohen Hallen nicht mehr kundig, ‒ für
unauffindbar hält.
132 Das Buch der Liebe
.Begierig werden alle okkulten Kloaken
durchwühlt nach dem, was nur auf sonnen‐
überstrahlten Gipfeln dem Mutigen erlang‐
bar wäre...
.Aber auch hier wird die Erneuerung
kommen durch die Schöpferkraft der
Liebe in ihrer höchsten, „himmlischen
Form, obwohl hier manche neuerbaute Sei
tenhallen schon unterwühlt von jener
nachtgeborenen Lehre sind, die im Bereich
der erdgebundenen Form der Liebe letzte
Lösung aller Rätsel sucht...
.Wen es angeht, der wird mich verste
hen, und wem von fremden Dingen hier
die Rede ist, der wisse, daß ich diese letzten
Worte nicht für ihn geschrieben habe.
.Was ich in diesem Buche gebe, soll Allen
Licht auf ihre Wege bringen, und jeder
suche hier, was seinem Wege dienen kann!
.Es wird keiner vergeblich suchen, und
jeder wird das Seinige finden können!
133 Das Buch der Liebe
.Die Schöpferkraft der Liebe aber
wird allen das zu Licht und Leben werden
lassen, was ich hier nur in Worte formen
durfte, um denen, die in diesen Tagen im
Dunkel sind, des Lichtes Spur zu weisen,
auf der das Leben sich in Glück und Freu
de strahlenhell entfalten kann. ‒
.Freilich verlangt aber alle Ernte vor‐
herige Saat, und so wirst du, mit dem ich
hier rede, gewiß nicht nur durch die vor‐
übergehende Beschäftigung mit meinen Wor‐
ten zu Frucht gelangen, sondern nur durch
entschlossenes Wirken im Sinne meiner
Lehre!
.Die mit mir aus dem „Vater” leben in
der Liebe, erachten diese Zeit bereitet, sol‐
che Lehre zu empfangen.
.Nur weil auch ich die Not der Zeit er‐
kenne, ließ ich mich zu dieser Niederschrift
bewegen.
134 Das Buch der Liebe
.Ich gab auch hier kein Wort, das einer
meiner hohen Brüder nicht zu billigen ver‐
möchte, und sie allein nur sind imstande,
hier zu werten, ob ich dem Auftrag, der
mir wurde, so entsprach wie mir geboten
war, ‒ ob ich nur lehrte, wie der „Vater
mich lehren hieß. ‒ ‒
.Ich aber trage jegliche Verantwortung
für jedes meiner Worte!
.Möchten die Menschen, denen hohe Fü‐
gung, ‒ die sie „Zufall” nennen, ‒ dieses
Buch zu eigen gibt, durch meine Worte sich
zur höchsten Liebe leiten lassen!
.Möchte das Licht, das, laut jener from‐
men Sage, einst den Hirten „bei der Nacht
wache” wurde, die Herzen aller erreichen,
die heute in der Finsternis dieser Zeit sich
noch wach erhalten, und möchte es so den
Frieden bringen nach diesen kampfdurch‐
tobten Tagen, für alle, die noch voll „guten
Willens” sind!
135 Das Buch der Liebe
.Die hohe Schöpferkraft der Liebe
wird alsdann die so Erwachten lehren, dem
Leben neue Form zu schaffen!
.Sie werden ferne sein dem Wahn, daß
nur aus Trümmern sich der Menschheit
hoher Tempel auferbauen lasse, und jeder
wird sich selbst zum „Baustein” weihen,
sobald er erst erkannte, daß das höchste
Heiligtum des Lebens nur aus Lebendi
gem errichtet werden kann!
— — — — — — — — — — — — —
.Ich habe in diesem Buche gewiß nichts
unbesprochen gelassen, was dir zu wissen
nötig, oder auch nur nützlich ist, und wo
ich in seiner ersten Fassung noch Fragen
offen fand, erhielten sie hier, in des Buches
definitiver Gestaltung, ausreichende Ant‐
wort.
.Ich wende mich nicht an romantische
Schwarmgeister irgendwelcher Bereiche der
Wundersucht, ‒ und nicht an die zahl‐
136 Das Buch der Liebe
reichen Leute, denen die Wirklichkeit wesen‐
los erscheint, weil sie nur das selbstgeschaf‐
fene Flimmerbild ihrer eigenen phantasti‐
schen Träume noch zu sehen vermögen.
.Dieses Buch ist, wie alle meine Bücher,
für reife, nüchterne Menschen geschrie‐
ben, ‒ für Menschen, die, in stiller Arbeit
an sich selbst, mithelfen wollen an der
geistigen Umgestaltung einer Welt, deren
Antlitz nur durch die höchste geistige
Form der Liebe aus den Verzerrungs‐
krämpfen zu lösen ist, in denen es nahezu
zur Maske irren Schreckens erstarrte.
.Nur dann, wenn die Erkenntnis aufzu‐
glühen beginnt, daß die Form des mensch‐
lichen Zusammenlebens auf dieser Erde
durch die Arbeit des Einzelnen an sich
selbst bestimmt wird und nur in sehr
bedingtem Maße von außen her zu beein‐
flussen ist, darf man sicher sein, sich auf
dem Wege zu befinden, auf den ich die mir
Vertrauenden zu leiten suche.
137 Das Buch der Liebe
.Es ist der einzige Weg, der aus der
Wirrnis dieser Tage hinaus und hinauf
zur Klarheit wertbestimmender Überblicke
führt, und zugleich der einzige Weg, der
den verirrten Einzelnen in sich den Frie
den finden läßt, nach dem alle noch nicht
völlig verhärteten Herzen so heiß verlangen.
.Tierhafte Kampflust wird sich dann
nicht mehr ungezähmt, als Zerstörungs‐
faktor inmitten menschlicher Gemeinschaft
austoben können, sondern, zu geistiger
Wehrhaftigkeit sublimiert, die Vielheit
der Einzelnen fähig machen, alle Angriffe
niederer planetarischer Gewalten auf die
eigene Seele in sich selber zurückzuweisen,
‒ im sicheren Bewußtsein der einzigen
Kraft, die alle auf Erden drohenden, glück‐
zerstörenden Triebkräfte siegend bezwingt!
138 Das Buch der Liebe
ENDE